Aus den Augen, aus dem Sinn-Politik

Menschen auf der Flucht, die von diversen Politikern und Medien allen Ernstes als „Feinde“ bezeichnet werden; schockierende Bilder von Frauen und Kindern, die in „Flüchtlingslagern“ bei Kälte im Dreck und auf Müllbergen dahinvegetieren; Schießübungen und der Aufruf zum Waffeneinsatz nicht nur an der EU-Außen- sondern an der österreichischen Grenze …

Was sich derzeit rund um die Diskussion, wie die EU-Staaten mit den Recep Tayyip Erdogan Richtung EU losgeschickten seit Jahren auf der Flucht befindlichen Menschen, umgehen soll, konterkariert jegliche humanitäre Grundhaltung.

Haben die großen europäischen Staatenlenker oder hat auch Bundeskanzler Sebastian Kurz allen Ernstes geglaubt, mit dem „Deal“ der EU mit der Türkei – 6 Milliarden Euro zahlt die EU, damit Millionen von Flüchtlingen unter anderem aus Syrien in der Türkei bleiben – könne man sich quasi freikaufen von jeglicher Verantwortung Fluchtursachen zu bekämpfen und damit Migrationsbewegungen zu verhindern? Offenbar schon! Ansonsten hätten sich die EU-Staaten in den letzten fünf Jahren doch wohl ernsthafter um nachhaltige Lösungsansätze bemühen müssen. Allein, passiert ist in dieser erkauften Atempause so gut wie Nichts! Leider auch nicht unter der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft! Und bei aller Verachtung für das unmenschliche Vorgehen von Erdogan, der Menschen, darunter Frauen und Kinder, für seine politischen Zwecke missbraucht, es sind die Versäumnisse und die Untätigkeit dieser „Aus den Augen, aus dem Sinn-Politik“ der letzten Jahre, die die EU, die Österreich jetzt schmerzlich einholt!
Es war vor genau fünf Jahren, als ich bei der Eröffnung eines Stützpunktes des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) in Klagenfurt dem damaligen Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz konkrete und nachhaltige Lösungsvorschläge zur Bekämpfung von Fluchtursachen gemacht habe. Von der Notwendigkeit eines „Marshall-Planes“ für die nordafrikanischen Länder bis hin zur Einrichtung von Charter-Cities und Hotspots an den EU-Außengrenzen. Nichts davon wurde Gehör geschenkt. Mehr noch, anstatt sich mit den Fragen von Fluchtursachen, Migration, Asyl und notwendiger Integration im Interesse aller – sowohl der betroffenen Flüchtlinge als auch der österreichischen Bevölkerung – verantwortungsbewusst und kritisch auseinanderzusetzen, wurden seitens der Bundesregierung(en) Hilfsmittel, Mittel für Entwicklungszusammenarbeit gekürzt, Integrationsmaßnahmen zurückgefahren und gleichzeitig das Bild von Flüchtlingen als alleinverantwortlicher Sündenbock erzeugt, gepaart mit der Selbstinszenierung als „Routenschließer“.
Diesen Vorwurf müssen sich die österreichischen Bundesregierungen der letzten Jahre gefallen lassen.

Ich bekenne mich auch zur selbstkritischen Ansicht, dass sich die SPÖ den Vorwurf, keine klare Position in der Asyl-, Migrations- und Integrationsthematik zu haben, viel zu lange gefallen hat lassen.

Denn, die SPÖ hat ihre Position im sogenannten Doskozil-Kaiser-Papier nach intensiver Arbeit festgelegt. 

Ja, als einer der Mitautoren der Arbeitsgruppe bekenne ich mich zu den Menschenrechten und internationalen Konventionen.

Und niemals werde ich es zur Kenntnis nehmen, wenn Menschen im Mittelmeer ertrinken, weil sie aus ihrer Heimat vor Krieg, Tod, Vergewaltigung flüchten mussten. Mich lassen Bilder von mit Tränengas beschossenen Frauen und Kindern, von Kindern die teilweise getrenntvon ihren Eltern in Fetzen auf Müllhalden in Flüchtlingslagern „hausen“ müssen, von Schiffen, die Schlauchboote mit geflüchteten Menschen auf hoher See mit spitzen Lanzen attackieren, Bilder welche die leblosen Körper, die an Ufern Italiens, Griechenlands oder anderswo angeschwemmt werden, darunter hilflose Kinder, nicht unberührt. Populismus hin oder her: Aussagen wie „selbst schuld, Hauptsache sie haben es nicht nach Europa geschafft, sind herzlos und inhuman. Leider sind aber genau solche und ähnliche Sätze immer wieder und sogar in zunehmender Zahl zu hören. Für mich ein Alarmsignal und ein Armutszeugnis gleichermaßen. In jedem Fall aber ein Auftrag, etwas dagegen zu unternehmen, gegen diese Entmenschlichung, die hauptsächlich nicht auf persönlichen Erfahrungen der Einzelnen sondern auf Gerüchten, Schlagzeilen, Ängsten und politischer Instrumentalisierung beruhen.
Warum können EU-Staaten wie Österreich nicht zumindest Wohncontainer für die Flüchtlingslager zur Verfügung stellen? Warum nicht versuchen, im Rahmen einer EU-weit akkordierten humanitären Aktion, Kindern und Frauen zu helfen, sie aus ihrer Hölle wegzuholen? Es wenigstens ernsthaft zu prüfen, statt kategorisch abzulehnen, ist das Mindeste, was erwartet werden darf.
Die SPÖ hat die für langfristige Lösungsansätze der Migrationsthematik notwendigen Maßnahmen im besagten Doskozil-Kaiser-Papier deutlich benannt. Beispielsweise die Schaffung von unter UNO-Mandat geschützten Sicherheitszonen und in diesen die von mir vorgeschlagenen Charter-Cities, also der Bau regelrechter, geschützter Städte, in denen Flüchtlinge zur Schule gehen, arbeiten, usw., sie sich Kompetenzen aneignen, um bei einer Rückkehr in ihre Heimat diese aufzubauen und moderne Lebensgestaltung zu ermöglichen. Dass weite Teile der Politik, sowohl der europäischen als auch der österreichischen, in ihrem Engagement für derartige Sicherheitszonen und Charter-Cities, sagen wir einmal, deutlichen Steigerungsbedarf haben, sei hier auch klar angemerkt. Ähnliches gilt für die bereit gestellten Mittel für Entwicklungshilfe, die gemeinsame Kontrolle der europäischen Außengrenze oder jedenfalls festzulegende Quoten für alle EU-Mitgliedstaaten.
Der gegenwärtige Zustand, dass sich viele Länder einer Quote also einer solidarischen Verteilung von AsylwerberInnen in Europa entziehen und in einer unsolidarischen Trittbrettfahrerhaltung verharren, kann die EU nicht länger hinnehmen. Im Rahmen der EU-Budgetverhandlungen muss auch von Österreich darauf gedrängt werden, dass Mittel aus EU-Strukturfonds an die Bereitschaft AsylwerberInnen aufzunehmen ebenso wie Klimaschutzziele einzuhalten, gekoppelt werden. Wer die Solidarität in Frage stellt, darf auch nicht mit der Solidarität anderer rechnen. Um die Bereitschaft zu einem Quotensystem zu erhöhen, sollte zudem ein Europäischer Solidaritätsfonds eingerichtet werden, der Gemeinden, die AsylwerberInnen aufnehmen, finanziell unterstützt.
Abschließend nur zu Erinnerung und zusammengefasst noch einige weitere wichtige und ebenfalls von der SPÖ bereits in der Vergangenheit präsentierte Eckpunkte zum Thema Asyl:
1. Asyl kann nur in Hot Spots der EU beantragt werden: Hot Spots sind Bereiche, die den Flüchtlingen einen menschenwürdigen Aufenthalt für die Dauer bis zur Entscheidung über eine Zulassung zum Asylverfahren gewährleisten. Diese sind an den EU-Außengrenzen – und falls nötig – entlang der Fluchtrouten einzurichten. Asyl darf ausschließlich in diesen Hot Spots beantragt werden. Sollten Flüchtlinge außerhalb aufgegriffen werden, sind sie unverzüglich in den nächstgelegenen Hot Spot zu überführen. Bei Zulassung zum Asylverfahren erfolgt die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat (Transport durch EU-Einrichtung), der durch eine verbindliche Quote festgelegt ist. Gegen die Aufteilung gemäß der Quote ist kein Rechtsmittel durch den Asylwerber zulässig (durch EU-Verordnung festzulegen). Bei negativem Entscheid, Rückführung in das Herkunftsland oder sicheren Drittstaat.
2. Rückführungsabkommen: Außen- und Innenministerium sind gefordert, sich unverzüglich mit Amtskollegen in der EU auf eine einheitliche aktuelle und umfassende Liste von Staaten zu einigen. Der erste Schritt zu einer nachhaltigen Entlastung Österreichs liegt in einer gemeinsamen europäischen Liste von Staaten mit Rückführungsabkommen. Damit hätte man europaweit ein Instrument zur Reduzierung der Zahl der Wirtschaftsflüchtlinge.
3. Mehr Tempo bei Asylverfahren: Asylverfahren müssen im Normalfall in maximal 6 Monaten zu bearbeiten sein. Die dafür notwendigen Personalbesetzungen hat die Bundesregierung zu organisieren und zu finanzieren
4. Einheitliche Asylstandards in Europa: Auf Ebene der zuständigen Minister sind einheitliche Asylstandards für die EU-Mitgliedsstaaten festzulegen. Es muss für Kriegsflüchtlinge überall vergleichbare Bedingungen (Chancengleichheit) geben – das reicht von der Art der Unterbringung, über die Dauer der Asylverfahren bis hin zur finanziellen Unterstützung für Flüchtlinge im Asylverfahren und danach bei positivem Bescheid – die finanzielle Unterstützung ließe sich beispielsweise durch eine einheitliche Formel errechnen (etwa indem man sie an BIP, Lebenshaltungskosten und Durchschnittseinkommen koppelt). Zusätzlich muss europaweit gesetzlich geregelt werden, dass ein Flüchtling, der einem Land zugewiesen wird und dort Sozialleistungen in Anspruch nimmt, nicht in ein anderes Land seiner Wahl weiterreisen kann – tut er das doch, müsste es klare Abschiebebestimmungen (in sein Asylland) geben.
5. Talente-, Befähigungsprüfung: Höhere Qualifizierungen von Flüchtlingen sind zu prüfen und für eine entsprechende Tätigkeit in Österreich anzuerkennen – nötigenfalls müsste es die Möglichkeit zu kurzen Ergänzungsstudien oder Aufschulungen geben. Warum soll jemand der in Syrien z.B. als Natur- oder Sprachwissenschafter oder als Fachmann in einem handwerklichen Beruf tätig war, in Österreich als Hilfsarbeiter arbeiten?
Abschließend: Es muss klar sein, dass nur eine gemeinsame europäische Asylpolitik eine Chance bietet, diese Fluchtbewegungen vernünftig zu steuern. Insellösungen in Form einzelstaatlichen Vorgehens, sind keine probaten Mittel. Wenn 27 EU-Staaten sich auf eine diesbezüglich gemeinsame Vorgehensweise, Gesetzeslage und Aufgabenstellung einigen – wie das beispielsweise im Falle der Bankenrettungen möglich war – ist eine Erfolgsaussicht gegeben, denn hier geht es um Menschen.
Peter Kaiser, 5.3.2020
Hinweis: Zum diesem Thema gibt es auch eine Podcast KOMPASS-Folge von mir.

Das Coronavirus – Zwischen „kein Grund zur Aufregung“ und „Weltuntergang“

Alarmstufe Rot in Österreich! Die totale Corona-Panik!

Schlagzeilen wie diese bestimmen die letzten Tage und Wochen in Kärnten und Österreich. Von Hamsterkäufen, leer geräumten Regalen in Supermärkten wird berichtet.
Das neu aufgetauchte Coronavirus ist aktuell nicht nur DAS Thema in Gesprächen im Gasthaus, unter Freunden oder Kollegen sondern hat auch die Klimakrise, den Kampf Greta Thunbergs aus der medialen Berichterstattung verdrängt.

Und Covid19 beschäftigt natürlich auch die Politik.

Wie damit umgehen?

Ja, das Coronavirus ist nicht gefährlicher als die Grippe, an der jährlich allein in Österreich zwischen 1500 und 2000 Menschen sterben.

Gefährdet sind sowohl bei Grippe als auch bei Corona weniger junge und gesunde Personen, als vielmehr ältere und bzw solche mit entsprechend schweren Vorerkrankungen. Anders als gegen die Grippe gibt’s gegen Corona derzeit noch keine Impfung. Am besten schützt man sich durch regelmäßiges Händewaschen mit Seife und dadurch, nicht unbedingt in Risikogebiete, über die man sich in Zeiten von Google und Smartphones in Sekundenschnelle informieren kann, reist. 

Um nicht falsch verstanden zu werden:

Selbstverständlich sind seitens der Politik alle Maßnahmen zu ergreifen, um die Bevölkerung zu schützen – das steht für mich außer Frage! Ebenso außer Frage steht die Pflicht, die Bevölkerung und die Medien zu informieren. Der Teufel steckt dabei, wie so oft, im Detail:
  • In welcher Intensität und welche Details fallen unter die Informationspflicht?
  • Müssen alle Verdachtsfälle berichtet werden?
  • Muss es Pressekonferenzen am laufenden Band geben?
  • Wo fängt notwendige, unaufgeregte, seröse Information durch die Politik an und wann wird die Grenze zur Selbstinszenierung und zur (von manchen bewusst gewollten?) Verunsicherung der Bevölkerung überschritten?
 
Als Landeshauptmann von Kärnten und aus zutiefst persönlicher Überzeugung, ist für mich glasklar festzuhalten:

Dem Schutz der Bevölkerung vor dem Virus wird seitens der Landesregierung höchste Aufmerksamkeit gewidmet.

Alle Maßnahmen, die dazu beitragen, Verdachtsfälle zu lokalisieren und schnellstmöglich zu verifizieren werden ergriffen. 
 
Der Umgang mit einer herausfordernden Situation, wie aktuell im Fall des sich ausbreitenden neuen Coronavirus, verlangt Besonnenheit, Angemessenheit und Respekt.
Besonnenheit, womit ich das Gegenteil von panischen und überzogenen Handlungen meine. Angemessenheit, was die auf Fakten basierten Maßnahmensetzungen betrifft. Und Respekt vor den Betroffenen – den unmittelbar und in weiterer Folge Betroffenen. 

Nachvollziehbar

Dass viele Menschen verängstigt auf eine ihnen unbekannte und nicht zuletzt aufgrund diverser Schlagzeilen – wie am Anfang des Blogs erwähnt – bedrohlich erscheinende Situation reagieren, ist für mich bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehbar. Bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehbar sind für mich auch besorgte Äußerungen seitens der Wirtschaft, die Umsatzrückgänge, Einbußen, Verluste – aufgrund von abgesperrten und abgeriegelten Gebieten, aufgrund von Produktionseinschränkungen und Handelsbeschränkungen oder auch aufgrund von Kurseinbrüchen am Aktienmarkt – nicht nur befürchtet, sondern nachweislich erleidet. 

NICHT nachvollziehbar

ist für mich der via Medien und auch via zum Teil mit unflätigen Beschimpfungen und Unterstellungen garnierten Mails geäußerte Vorwurf eines Imageschadens (und schon gar nicht eines „dermaßen großen Imageschadens“) für die Gemeinde Bad Kleinkirchheim aufgrund einer Informationspflicht seitens des Landes gegenüber der Öffentlichkeit. 

Und ja, nochmal: Informationspflicht!

Denn was hieße das Gegenteil, also die Zurückhaltung von Informationen, weil sie einer Berufsgruppe oder einer Gemeinde oder einer Einzelperson oder einer Firma nicht genehm erscheinen? Wie hätte wohl die Bevölkerung, wie hätten die Verfasser von an mich und das Land gerichtete Mails und wie Medien reagiert, wäre das Land Kärnten seiner Informationspflicht den tragischen Todesfall in Bad Kleinkirchheim betreffend, bei dem von ärztlicher Seite der Verdacht auf Zusammenhang mit dem Coronavirus bescheinigt wurde, nicht nachgekommen wäre? Wie wären wohl die Reaktionen ausgefallen, wenn die umliegende Bevölkerung und Medien anderweitig erfahren hätten, dass eine Apartmentanlage behördlich gesperrt wird, es seitens der Landesbehörde dazu aber keine Information gibt? Und wie wären die Reaktionen ausgefallen, hätte sich der Verdacht auf Tod infolge einer Coronavirusinfektion, anders als glücklicherweise letzten Endes, tatsächlich bestätigt, ohne dass das Land als verantwortungsbewusste Behörde zuvor seiner Informationspflicht nachgekommen? Wie hätten Sie darauf reagiert, geschätzte Leserinnen und Leser, liebe Kritikerinnen und Kritiker?
 
Nein, mir sind negative wirtschaftliche Folgen für Kärnten und für Kärntner Unternehmen nicht egal, das versichere ich Ihnen, und das belegt auch die Arbeit der Kärntner Landesregierung. Noch viel weniger egal ist mir die Gesundheit und der Schutz der Bevölkerung in Kärnten! Und die Gesundheit aller Menschen in Kärnten steht für mich und für die Landesregierung unverrückbar an erster Stelle. Das sage ich als Landeshauptmann und aus tiefster persönlicher Seele. Dass es tatsächlich Menschen – Unternehmer, Politiker, Journalisten – gibt, die das anders sehen, die wirtschaftlichen Erfolg über das Wohl und die Gesundheit von Menschen stellen, empfinde ich nicht nur als Enttäuschung sondern als Bedrohung für unsere solidarische Gemeinschaft: 
 
Ein Gast in einer Kärntner Gemeinde, eine 56-jährige Italienerin, eine Ehefrau, eine Mutter von zwei Kindern ist auf tragische Weise verstorben. Zwar nicht am Coronavirus, aber das konnte erst nach den entsprechenden Tests festgestellt werden. Und dabeklagen einige allen Ernstes vor dem Hintergrund dieses Todesfalles und der notwendigen Maßnahmen, die das Land Kärnten unverzüglich in die Wege geleitet hat, nur Eines – Stornierungen? Ernsthaft? Wie groß wäre wohl der Imageschaden für Betriebe von diesen Kritikern, für die Gemeinde Bad Kleinkirchheim und letztlich für unser Kärnten, würde dieses kaltherzige Verhalten in der Form öffentlich diskutiert?

Dazu möchte ich nur zwei „Kleinigkeiten“ mit zum Nachdenken geben:

Es war Bundekanzler Sebastian Kurz, der die Vorgehensweise in Kärnten ausdrücklich als vorbildlich gelobt hat. Und es war bzw. ist ein anderer politischer Mitbewerber, der gerne die Grenzen nach Italien kontrollieren oder gar schließen würde: Was das gerade für die Italiener-Hochburg Bad Kleinkirchheim bedeutet, wissen Sie!?

Es ist mir letztlich ein Bedürfnis,

Sie darum zu bitten, mitzuhelfen, dass Besonnenheit und Augenmaß zurückkehren. Helfen Sie mit, den Menschen, Kärntnerinnen und Kärntnern ebenso wie allen unserenpotenziellen Gästen, klar zu machen, dass keine Gefahr besteht – auch mit dem Hinweis, dass das Land Kärnten im Fall des Falles so agiert, wie man es von einem Land, dem der Schutz und die Sicherheit der Bevölkerung oberstes Gebot sind, erwarten sollte.
 
Mit freundlichen Grüßen,
Landeshauptmann Dr. Peter Kaiser 
 
 

Was haben die chaotische Reform der Krankenkassen durch ÖVP-FPÖ und ein unehrlicher Autoverkäufer gemeinsam?

Kennen Sie das?

Eine Partei oder eine Regierung kündigt irgendeine Maßnahme an, welche umgehend von Mitbewerbern der Opposition „beißreflexartig“ zerrissen wird?

Leider ist auch die Politik in Österreich in vielen Bereichen von genau diesen Reflexen geprägt.
Leider. Denn ich bin der Meinung – und das ist meine persönliche Herangehensweise – dass man sich neue Vorschläge und Maßnahmen, egal von wem sie kommen, genau ansehen, soweit möglich prüfen, Folgen und Auswirkungen soweit möglich antizipieren und dann daraus resultierend ein Urteil bilden soll.
Diese Haltung wird in meinen Augen umso logischer, je mehr auch die Einbindung von zB Opposition, Ländern, Sozialpartnern erfolgt. Letztlich ist dies auch ein Qualitätsmerkmal für die Politik.
So stelle ich mir Politik vor, die die Lebensumstände der Menschen wirklich verbessern will – und nicht die eigenen bzw die Umstände der eigenen Partei. In diesem Sinne versuche ich Politik zu machen, seitdem ich politisch tätig bin – unabhängig ob in Regierungsverantwortung oder in Opposition. Das haben wir mit der SPÖ-Kärnten unter meiner Führung genau so gehandhabt – in konstruktiver Opposition von 2010 bis 2013 und danach in Regierungsverantwortung.
Voraussetzung für diese Art der Politik ist ein entsprechendes Maß an Kritikfähigkeit. Denn neben Unterstützung dort, wo es um für die Bevölkerung sinnvolle Maßnahmen geht, muss auch Platz dafür sein, konstruktive Vorschläge einzubringen oder aufzunehmen, und es muss auch Platz sein für harte, kantige Oppositionsarbeit, dort, wo eine Regierung die Weichen zum Nachteil der Bevölkerung in die falsche Richtung stellt.
Dies nur zur Vorbemerkung für die nachstehende kritische Auseinandersetzung mit dem sich nun offenbarenden (finanziellen) Gefahren durch die chaotische Zusammenlegung der Krankenkassen.
In meinem letzten Podcast (https://soundcloud.com/pk-kompass/folge-1-kompass-podcast) und auch in anderen Blogs habe ich bereits meine Überlegungen und Überzeugungen über die Bedeutung des Sozialstaates dargelegt: Im Gegensatz zu vielen neoliberalen Ansichten bin ich davon überzeugt, dass die Bedeutung unseres solidarischen Sozialstaates in Zukunft noch wachsen wird.
Insbesondere die Gesundheitsversorgung, die unabhängig von der Größe der Brieftasche, allen Menschen gleich zugängig sein soll, ist durch die positive Tatsache steigender Lebenserwartung besonders gefordert.
Das Ziel der damaligen ÖVP-FPÖ-Bundesregierung, nämlich gleich gute Gesundheitsversorgungsleistungen allen versicherten egal ob GKK, BVA, SVA zukommen zu lassen, halte ich für grundsätzlich unterstützenswert.
Entscheidens dabei ist, dass im Zuge der Harmonisierung keinesfalls Verschlechterungen, keine Leistungseinschränkungen oder höhere Selbstbehalte die „finanzierende“ Folge sein dürfen! Weiters habe ich, wie viele Experten, davor gewarnt, dass unter der Ankündigung der Zusammenlegung der Versicherungsanstalten schwarz-blaue Einfärbungsaktionen, Mehrkosten und Kompetenzverschiebungen unter dem Deckmantel „Reform“ exekutiert werden!

Leider ist genau das geschehen!

Unter dem Titel „Patientenmilliarde“ wurde suggeriert, dass problemlos eine Milliarde eingespart werden könnte und gleichzeitig Leistungen verbessert würden. Das genaue Gegenteil von dem, was versprochen wurde, ist eingetreten – zu Lasten der Patientinnen und Patienten! Nämlich: Die Krankenkasse der Arbeitnehmer wird innerhalb von zwei Jahren von 111 Millionen Euro Plus, in ein Defizit von 1,7 Milliarden Euro bis 2024 geführt!

Das Geld fehlt bei der neuen Österreichischen Gesundheitskasse und damit bei den Patientinnen und Patienten.

Zum besseren Verständnis ein bildlicher Vergleich:

Die wollen sich ein Auto kaufen. Der Verkäufer, ein junger, unerfahrener smarter Kerl, der die Technik im Auto nicht kennt, versichert ihnen, das Auto würde Dank diverser Extras auf 100 Kilometer einen Liter Sprit weniger verbrauchen. Sie glauben dem Verkäufer, kaufen das Auto und stellen dann aber gleich fest: Moment, da stimmt was nicht, das Auto verbraucht in Wahrheit 2 Liter mehr auf 100 Kilometer.
So ähnlich verhält es sich bei der Kassenreform: Da hat Sebastian Kurz auch angekündigt, bis 2023 würde diese „Reform“ den Patienten 1 Milliarde Euro bringen. In Wahrheit frisst sich 1,7 Milliarden aus dem öffentlichen, aus dem solidarischen Gesundheitssystem. Die Folge: Leistungskürzungen /-einschränkungen.

Wieso macht jemand so etwas?

Die Antwort: Gesundheit soll offenbar ein Geschäft sein. Je schlechter das ÖFFENTLICHE Gesundheitssystem wird, desto mehr „Konsumenten“ – also Patientinnen und Patienten – gehen zu privaten Anbietern, die sich ihre Leistungen teuer und teurer bezahlen lassen. Die Auswirkungen werden wir am eigen leib oder in der eigenen Brieftasche spüren.
Dieser Zugang entspricht dem neoliberalen Dogma, dem ÖVP, FPÖ, Neos verhaftet sind:

„Weniger Staat, weniger Steuern, weniger öffentliche und dafür mehr private Gesundheitsversorgung“.

Dazu ein weiteres Beispiel aus der Realität in Kärnten: Um die Spitalsambulanzen, Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger zu entlasten und gleichzeitig Wartezeiten für Patientinnen und Patienten zu verkürzen gab es den Plan, in der Notaufnahme einen Allgemeinmediziner quasi vorzuschalten, um jene Personen, die nicht stationär aufgenommen werden müssen herauszufiltern. Eine logische und vernünftige Maßnahme – allein, sie ist seit einem Jahrzehnt „erfolgreichen“ standespolitischen Widerstandes insbesondere der Ärztekammer noch immer nicht umgesetzt.
Ich erwarte daher von der jetzigen Bundesregierung auch im Interesse von über 7 Millionen Krankenversicherten, dass dieser Murks einer scheinbaren „Reform“ repariert wird. Das Milliardendesaster darf nicht auf Kosten der Patienten ausgetragen werden.
Oder will man seitens der Bundesregierung, dass wie in anderen Staaten die Brieftasche, das Alter oder die soziale oder regionale Herkunft entscheidet, ob eine Operation erfolgt, Medikamente verabreicht und die entsprechende Versorgung vorhanden ist?
Eine sofortige Leistungsharmonisierung und die Stärkung der öffentlichen Gesundheitsversorgung auf allen Ebenen ist das, was eine verantwortungsbewusste Politik im Interesse der Menschen in Österreich umzusetzen hat.
Dazu muss es eine Gesetzesnovellierung geben, um die dort festgeschriebenen verpflichtenden Selbstbehalte zu streichen! Ebenso mehr Kassenärzte und –ärztinnen in allen Regionen Österreichs!
Das Miteinander muss wieder stärker sein, als das gegeneinander. Solidarität ist stärker als Egoismus!
Peter Kaiser 21.2.2020

100 Jahre Volksabstimmung Kärnten

Liebe Kärntnerinnen und Kärntner,
liebe Leserinnen und Leser!
100 Jahre bewegte Kärntner Landesgeschichte – das heurige Jubiläumsjahr hat mich dazu bewogen, in einem Blog-Beitrag einen Rück- und Ausblick vorzunehmen. Mir ist bewusst, dass die Ausführlichkeit, mit der ich mich in den nachstehenden Zeilen der Kärntner Vergangenheit und Zukunft widme, eine Herausforderung darstellt. Ich erachte diese Ausführlichkeit angesichts der 100 Jahre in Verantwortung gegenüber Kärnten allerdings als notwendig.
Am 10. Oktober 2020 jährt sich eines der für die Geschichte unseres Bundeslandes bedeutendsten Ereignisse zum 100sten Mal – Die Kärntner Volksabstimmung vom 10. Oktober 1920.
59 % – so groß, war die Zustimmung der deutsch- und der slowenischsprachigen Kärntner Bevölkerung in der Abstimmungszone am 10. Oktober 1920 für den Verbleib Südkärntens bei der Republik Österreich. Ein starkes Bekenntnis zu Demokratie und zur Einheit des Landes in kultureller und sprachlicher Vielfalt und gegen eine SHS-Monarchie. Ein Ergebnis, das wir insbesondere dem Mut und der Opferbereitschaft unserer Väter und Mütter, unserer Großväter und Großmütter zu verdanken haben. Denn bis es zur Volksabstimmung kam, hatte die Südkärntner Bevölkerung viele Opfer zu beklagen, Schlimmes zu erleben und Entbehrungen zu erleiden. Wir werden im heurigen Jubiläumsjahr, das unter dem Motto „CarinthiJa 2020 – Ein Land in Perspektiven und Zeitreisen“ steht, diesem großen, historischen Tag unserer stolzen Kärntner Landesgeschichte mit Demut und Respekt vor den Gefallenen genauso wie mit Dankbarkeit, Zuversicht und Stolz gedenken.
Das 100-Jahr-Jubiläum wird eine verbindende Feier für alle Kärntnerinnen und Kärntner:
Kunstinstallationen, wissenschaftliche Publikationen, Musikprojekte bis hin zur Sanierung von Abwehrkämpferdenkmälern – mit den unterschiedlichsten Projekten und unter Einbeziehung aller Abstimmungsgemeinden und aller Traditionsverbände, Kulturvereine oder –initiativen und bedeutenden Kärntner Institutionen werden wir das 100-Jahr-Jubiläum der Kärntner Volksabstimmung von 1920 feiern.
CARINTHIja 2020 wird allen Opfern des Abwehrkampfes ein würdiges Gedenken im Sinne ihrer Familien und nachkommenden Generationen bereiten, die Landesgeschichte in all seinen Facetten beleuchten und sichtbar machen, wie sich eine Region im Herzen Europas in den vergangenen 100 Jahren positiv weiterentwickelt hat.
Ich lade Sie alle ein, an den Veranstaltungen teilzunehmen, die Geschichte Kärntens lebendig und stolz mit zu repräsentieren. Alle Infos und Termine finden Sie auf https://www.carinthija2020.at/
Wir haben den Titel und das Motto ganz bewusst gewählt – CARINTHIja!
Wie am 10. Oktober 1920 die Mehrheit JA zu Kärnten gesagt hat, lautet auch heute und morgen die Devise CARINTHIja – JA zu Kärnten.
Am 10. Oktober 1920 wurde das Fundament für unser heutiges gemeinsames Haus Kärnten gelegt! Ja, es gab in diesen 100 Jahren immer wieder kleinere und größere Erdstöße, auch so heftige, die unser gemeinsames Haus teilweise sogar einstürzen hat lassen und mehrfach erschüttert, den einen oder anderen Riss, die eine oder andere zerbrochene Fensterscheibe beschert hat. Ich rede von dem dunkelsten Kapitel des Zweiten Weltkrieges. Ich rede auch von den vielen schweren Auseinandersetzungen rund um zweisprachige Ortstafeln. Ich rede auch von den vielen Naturkatastrophen, die Kärnten immer wieder heimgesucht haben oder auch von der dank gemeinsamer Kraftanstrengungen abgewendeten Zerstörung durch den Hypo-Haftungswahnsinn.
Aber unser gemeinsames Haus Kärnten hat dem nicht nur standgehalten. Vielmehr haben wir es gemeinsam in mühevoller Kleinarbeit, durch ausgestreckte und ergreifende Hände geschafft, unser gemeinsames Haus so zu ankern, dass es heute krisensicherer und gefestigter ist, als je zuvor.
Dieses Haus Kärnten hat viele Architektinnen und Architekten. Ich stehe auch nicht an, mich stellvertretend bei Zweien dafür zu bedanken, dass sie durch neuen Mut wesentlich dazu beigetragen hat, das heute ein neues „Raum“-Klima in diesem Haus Kärnten herrscht: Gerhard Dörfler hat gemeinsam mit Josef Ostermayer und mit der Unterstützung vieler fleißiger Helfer, mit der ermöglichten Lösung der sogenannten Ortstafelfrage, einen wichtigen, einen unverzichtbaren, tragenden Pfeiler in unser Haus Kärnten eingezogen, der die Stabilität ganz entscheidend verbessert hat.
Heute ist dieses Haus Kärnten Heimat und im wahrsten Sinne des Wortes ein Zuhause. Ein Zuhause, indem man sich wertschätzend, freundlich, familiär begegnet, ein Zuhause das einlädt, in dem sich auch unsere Gäste wohlfühlen, das eine Hausordnung hat, Regeln, die deutlich sind und ein friedliches und befruchtendes Zusammenleben gewährleisten.
Ja, wir haben in Kärnten in den letzten 100 Jahren viel erlebt – wir haben gute und auch schlechte Zeiten hinter uns. Und wir haben Dank des Einsatzes der Kärntnerinnen und Kärntner alle Chancen für eine positive Zukunft.

Wir haben aus der Vergangenheit für die Gestaltung der Zukunft gelernt.

Heute glänzt Kärnten durch Vielfalt und demonstriert jeden Tag aufs Neue, wie es Kulturen und Sprachgruppen gelernt haben, die gemeinsame und oftmals ambivalente Geschichte nicht als trennend zu betrachten, sondern zu einem gemeinsamen Fundament zu machen. Das Miteinander ist uns gelungen, indem wir aufeinander zugegangen sind, einander zugehört und schlussendlich verstanden haben, dass die Anliegen unseres Gegenübers immer auch unsere Anliegen sind. Kärnten ist heute von Verständnis, Respekt und Wertschätzung getragen. Gerade in der Gegenwart, angesichts vieler kriegerischer Auseinandersetzungen und leider wieder deutlicher und zunehmend wahrnehmbarer Egoismen und Nationalismen, die sich auch und vor allem in teils besorgniserregenden extremen politischen Manifestationen zeigen, muss unsere Geschichte auch Mahnung sein.
Mahnung dafür, wie wichtig und wertvoll ein friedliches, ein gut ge- und beschütztes Zuhause ist.
Deswegen gut be- und geschützt, weil, Kärnten, weil die Kärntnerinnen und Kärntner immer dann felsenfest zusammengestanden sind, wenn es darum ging Unheil abzuwenden, wenn es darum ging sich gegenseitig zu helfen – UND, wenn es darum ging, aufeinander zuzugehen. Am Ende haben wir immer Ja zu Kärnten gesagt.
Wir werden mit CarinthiJa 2020 also zurückblicken und wir werden dafür auch innehalten. Aber mehr noch werden wir vorausschauen und vorangehen. Denn 2020 ist nicht nur das Ende eines Kärntner Jahrhunderts, es ist ebenso der Anfang eines Kärntner Jahrhunderts.
Und für diesen Anfang wollen wir nicht den Zufall Regie führen lassen. Für diesen Anfang werden wir uns auch nicht auf die viel beschworenen ungünstigen Rahmenbedingungen ausreden. Diesen Anfang planen wir antizyklisch zu den düsteren Prognosen für Weltpolitik und Weltwirtschaft. Diesen Anfang gestalten wir gegen den Trend eines Rückfalls von Europa. Diesen Anfang vollziehen wir als DER Aufsteiger und DAS Comeback-Bundesland in Österreich. Diesen Anfang schaffen wir als ein Motor der Regionalisierung und Globalisierung im Herzen Europas, dort wo sich seine germanischen, romanischen und slawischen Wurzeln verbinden. Diesen Anfang markieren wir am Ende der neuen Seidenstraße und als Ziel der neuen Koralmbahn. Diesen Anfang erleben wir als ein Motor statt Opfer der digitalen Revolution.
Kärnten, geschätzte Leserinnen und Leser, Kärnten ist das ständige Sowohl-als-Auch. Ein Schmelztiegel der Kulturen. Ein Standort für Informationstechnologie und klassische Industrie. Eine wirtschaftlich orientierte Region und ein soziales Vorzeigeland. Ein Musterbeispiel für den Zusammenhalt statt einer Mahnung vor Spaltung von Stadt und Land. Der Zentralraum und die Täler sind so wie Klagenfurt und Villach nicht Gegenpole: Sie sind einander ergänzend. Komplementär. Das eine funktioniert ohne das andere schlechter.
Wenn nun weltweit eine Kluft zwischen Stadt und Land entsteht und diese auch noch ständig wächst, dann müssen wir diesen Trend nicht einfach hinnehmen. Für uns – damit meine ich diese Kärntner Landesregierung – und für mich als Landeshauptmann ist eines der wichtigsten politischen Ziele, Gegensätze zu überwinden und unterschiedlichste Anliegen in ein gemeinsames Ganzes zu integrieren, anstatt Interessengruppen auseinanderzudividieren.
Teile und herrsche ist kein demokratisches Prinzip. Vereine und regiere! So haben wird es bisher gehalten. So werden wir es weiterhin halten.
Wir stehen am Beginn eines neuen Jahrzehnts. Das Ende dieses Kärntner Jahrhunderts von der Volksabstimmung bis zur Zukunftskoalition ist der Anfang der nächsten 20er-Jahre. Es war ein zwiespältiges Jahrzehnt im 20. Jahrhundert. Für die Welt, für Europa, für Österreich und für Kärnten. Deshalb werden in diesen Tagen so viele Vergleiche mit damals gezogen. Am Rande der vielleicht größten wirtschaftlichen und dadurch gesellschaftlichen Veränderung seit der industriellen Revolution haben die Unheilspropheten Hochsaison.
Mein Verständnis von Politik ist es aber nicht, Ängste durch das Heraufbeschwören einer verlustreichen Vergangenheit zu schüren. Mein Verständnis von Politik ist es auch nicht, Sie mit einer falschen Selbstzufriedenheit in der Gegenwart einzulullen. Mein Verständnis von Politik ist es, sich den absehbaren Herausforderungen zu stellen, möglichst früh Lösungen zu suchen und so rasch wie es nur machbar ist, Einverständnis dafür zu finden.
Deshalb blicke ich heute lieber ins nächste Kärntner Jahrhundert als in das vergangene. Denn Stillstand ist – aus der Zukunft betrachtet – ein Rückschritt. Wir aber müssen und werden uns nach vorne bewegen. Nach vorne in die heute erst zu erahnende Welt unserer Kinder und Enkel.
Das ist schwieriger und mühsamer, als im Jetzt zu verharren, das wir kennen und feiern können. Weil 2020 zu all unseren aktuellen Erfolgen auch noch die großen Jubiläen von Land und Staat kommen, ist dabei die Versuchung groß, zu sehr in der Vergangenheit zu schwelgen, zu lang in der Gegenwart zu verharren und zu wenig in die Zukunft zu blicken.
Doch genau dafür werden wir Politiker gewählt: Mit den Erfahrungen von gestern und dem Wissen von heute die Schienen für morgen zu legen. Eine Zukunft, die womöglich noch besser ist als unsere Gegenwart, die aus einer Vergangenheit entstanden ist, die noch viel weniger stabil war als es 2020 ist. Vor 100 Jahren, als nach dem 1. Weltkrieg die Zone A Kärntens erst durch die Volksabstimmung komplett zu Österreich kam. Vor 75 Jahren, als auf den Trümmern des 2. Weltkriegs die 2. Republik ausgerufen wurde. Vor 25 Jahren, als wir vom Grenzland der westlichen Welt zum Teil und Schnittpunkt der Europäischen Union geworden sind.
Und heute? Heute ist mit Josef Marketz ein Kärntner Slowene der Bischof dieses Landes. Heute ist mit Peter Handke ein Kärntner Slowene Nobelpreisträger. Heute hat Kärnten das größte Wirtschaftswachstum aller Bundesländer. Heute sind wir bereits im dritten Jahr hintereinander, in dem in Kärnten die Arbeitslosigkeit gesunken ist. Heute gibt es in Kärnten die größte privatwirtschaftliche Investition der 2. Republik – 1,6 Milliarden investiert Infineon in den Standort Villach. Kärnten erlebte gerade mit For Forest die weltweit aufsehenerregendste Kunst-Installation im öffentlichen Raum. Heute ist mit dem KAC ein Kärntner Verein österreichischer Rekordmeister im Eishockey und mit dem WAC ein Kärntner Fußballclub spielt in der Europa League. Heute ist Kärnten das Zugpferd der Europaregion Alpen-Adria und der Umschlagplatz am Ende der neuen Seidenstraße.
Deshalb und wegen vieler anderer Fortschritte in und von Kärnten können wir zurecht stolz auf unser Kärnten sein. Und Sie werden mir glauben, dass vom Kinderstipendium bis zum leistbaren Wohnen, von den Bildungsangeboten bis zur Betriebsansiedlung unsere Politik viel dazu beigetragen hat, dass es so ist, wie es ist. Kärnten, ein Land zum Leben und zum Verlieben.
Genau das hatte ich als Ziel, als wir 2013 angetreten sind. „Wir hingegen schaffen Zukunft.“ Das habe ich vor sechs Jahren gesagt. „Wir hingegen schaffen Zukunft.“ Das sage ich auch heute wieder. Ich verstehe mich dabei ein bisschen als Spielverderber für den Wohlfühlmodus. Frei nach Konstantin Wecker glaube ich: Genug ist nicht genug. Denn – wie gesagt: Aus der Zukunft betrachtet ist Stillstand ein Rückschritt. Deshalb müssen wir die Zukunft immer in unserem Visier haben.
Wir kümmern uns um dieses ungewisse Morgen. Eine Zukunft, die große Herausforderungen bereithält. Denn hinter dem viel zu wenig hinterfragten Schlagwort der Digitalisierung stehen Entwicklungen, die uns alle gemeinsam fordern. Heute schon werden 29 Prozent unseres Bruttoinlandprodukts – das viel zitierte BIP – durch Automatisierung erzielt. In nur fünf Jahren aber wird der Anteil der menschlichen Arbeitsleistung von 71 auf 48 Prozent gefallen sein. Und was dann? Schon heute wären 43 Prozent der österreichischen Bevölkerung armutsgefährdet – ohne den Sozialstaat und die Transferleistungen. 14 Prozent sind es sogar trotz dieses Auffangnetzes, in Kärnten erfreulicherweise weniger. Doch wie lässt es sich finanzieren, wenn statt heute drei Viertel der Arbeits- und somit Wirtschaftsleistung 2025 weniger als die Hälfte von Menschen erzielt werden wird?
Bildung bleibt der wichtigste Schlüssel, um nicht zurück zu bleiben. Doch damit allein wird es nicht getan sein. Immerhin hat erst Bildung unsere rasanten Fortschritte ermöglicht. Uns geht es da wie Goethes Zauberlehrling: „Die ich rief die Geister, werd‘ ich nun nicht los.“ Also ist unsere wichtigste Aufgabe in Europa, in Österreich, in Kärnten: Wie erreichen und erhalten wir den Wohlstand für möglichst viele Menschen in einer globalisierten und digitalisierten Welt? Wie können möglichst viele Menschen teilhaben an den positiven Entwicklungen, die das bringt? Unsere Antworten auf diese Frage entscheiden über die Zukunft von Kärnten. Doch die Menschen erwarten nicht nur Antworten sondern Lösungen von uns. Wir haben sie nicht schlagartig parat. Das müssen wir auch zugeben dürfen. Wir sollten erst denken und dann reden. Miteinander reden. Und schließlich zusammen handeln.
Digitalisierung und Partizipation: Das sind die Querschnittthemen, denen wir nicht auskommen, wenn wir die Zukunft gestalten wollen. Eine Zukunft, die in Kärnten ganz maßgeblich durch geradezu traditionelle Faktoren mitbestimmt werden. Die Fertigstellung der Koralmbahn wird die Lage unseres Landes – in jedem Wortsinn – massiv verändern. Das können und dürfen wir nicht einfach hinnehmen – als überfälliges Infrastrukturgeschenk. Wir müssen dazu schon heute den Zentralraum stärken und die Landflucht hemmen. Durch das richtige Maßnahmenpaket ist das kein Widerspruch. Wir müssen schon heute die Gesamtmarke Kärnten entwickeln. Sie ist viel mehr als Industrie und Tourismus – Kärnten: It´s my life! Wir müssen schon heute planen, wie Kärnten 2030 die kinderfreundlichste Region Europas sein kann. Denn der Wettbewerb darum ist bereits in vollem Gange.
Liebe Leserinnen und Leser,
Politik und Wirtschaft leiden gleichermaßen unter dem Verlust langfristiger Perspektiven infolge kurzsichtiger Erfolgskriterien. Hier ist es der Rhythmus von Wahlen, dort sind es die Forderungen nach Gewinn und scheinbar unlimitiertem Wachstum, die auf schnellen Wegen zu nahen Ziele führen. Dieser taktische Vorrang drängt die strategische Orientierung in den Hintergrund. Im Sinne von Nachhaltigkeit ist das schlecht. Es ist schlecht für alle Organisationen, Institutionen, Unternehmen und somit unsere gesamte Gesellschaft. Atemlos kommen wir vielleicht durch die Nacht, aber nicht ans Ziel. Glauben Sie mir! Als leidenschaftlicher Ausdauersportler kenne ich mich damit aus.
Deshalb versichere ich Ihnen: Dieses neue Kärnten und die Kärntner Landesregierung mit mir als Landeshauptmann haben einen sehr langen Atem – als Ironman-Finisher weiß ich, wovon ich rede. Wir bewahren das Gute am vergangenen Kärntner Jahrhundert und wir schaffen den Rahmen für noch mehr Gutes im nächsten Kärntner Jahrhundert. 2020 darf in der Geschichtsschreibung nicht nur als Jubiläumsjahr stehen bleiben. 2020 muss für Kärnten ein Scharnierjahr vom Gestern ins Morgen werden. Ein Jahr, in dem nicht nur Schienen gelegt und Straßen gebaut, sondern Nischen besetzt werden, die für unser Land in 100 Jahren noch als Existenzgrundlage gelten. Daran arbeiten wir als Kärntner Landesregierung. Daran arbeite ich als Landeshauptmann von Kärnten. Jahr für Jahr. 2020 ist eine weitere Etappe dorthin.
Denn, viele Weichenstellungen Richtung Zukunft haben wir geschafft. Noch viel mehr bleibt zu tun, um auch in Zukunft mit dem Selbstvertrauen von heute aufzutreten und in Kärnten, in Österreich, in Europa und überall auf dieser Welt in aller Deutlichkeit zu zeigen:

Kärnten ist großartig! Kärnten ist ein Land zum Leben und zum Ver-Lieben!

Genau darum geht es auch im Kern der neuen Standortmarke „Kärnten –It´s my life“.
„Kärnten – It´s my life! Damit geben wir in Zukunft die Richtung vor und den Ton an. Kärnten – It‘ s my life! soll deutlich machen, wofür Kärnten steht, dass vieles und was in Kärnten alles möglich ist, dass Kärnten ein Land ist, in dem man volle Unterstützung dafür erhält, seine Träume zu verwirklichen. Das gilt sowohl für Unternehmen und Investoren, als auch jede und jeden Einzelnen von uns, für Einheimische und Zugezogene.
Es hat viele, lange und intensive Diskussionen gegeben bevor die neue Standortmarke „Kärnten – It´s my life!“ geboren wurde. Es war kein einfacher Prozess, Kärnten und all seine Möglichkeiten und Vorzüge unter ein gemeinsames Dach zu bringen. Dennoch ist es in nur sechs Monaten gelungen zu einem großartigen Ergebnis zu kommen – schneller als in vergleichbaren Regionen.
Ich möchte mich bei allen Beteiligten, allen voran bei meinem Koalitionspartner, bei den Sozialpartnern und allen Vertretern von Institutionen und Gesellschaften für ihre Mitarbeit bedanken.
Wir haben uns für einen mutigen Schritt entschieden, der Kärnten und sein Standortmarketing wesentlich von allen anderen Bundesländern unterscheidet: europaweit gehören wir zu den ganz wenigen Regionen, die sich tatsächlich selbstbewusst trauen, ausschließlich eine Dachmarke zu verwenden unter der alles, Kärnten insgesamt, vereint wird.
Gemeinsam ist uns da etwas Großes gelungen, etwas das die Zukunft Kärntens positiv beeinflussen wird! Das kann, das muss und das wird uns gelingen – es wird dann gelingen, wenn alle an einem Strang ziehen, wenn wir dieses Selbstbewusstsein auch mit Überzeugung nach außen präsentieren, jede und jeder einzelne in Kärnten! Denn Kärnten hat 2020 nicht nur ein Jahrhundert hinter sich – Kärnten hat alle Chancen, das kommende Jahrhundert zum erfolgreichen Kärntner Jahrhundert zu machen

Packen wir‘s an! Gemeinsam!

Peter Kaiser am 7.2.2020

Jetzt ist es also so weit – Das Vereinigte Königreich verlässt die EU!

Angesichts des „Brexit“ und der Tatsache, dass Österreich seit 25 Jahren Mitglied im größten und bedeutendsten Friedensprojekt, der Europäischen Union, ist, eine gute Gelegenheit, um mit diesem Blog zu verdeutlichen, wie wertvoll die Mitgliedschaft für uns alle ist und wie wir von der EU profitieren.
Wenn ich auf der Straße mit den Menschen rede, dann höre ich immer: Die EU, was haben wir von der Mitgliedschaft? Da sitzen einige Spitzenpolitiker irgendwo in Brüssel und entscheiden über uns. Null Mitsprache, null Veto – null Möglichkeit sich gegen Auflagen, Gesetze etc. zu wehren.
Im Gespräch klärt sich dann rasch der eine oder andere Irrglaube. Am Beispiel Kärnten wird deutlich, wie sehr jede und jeder Einzelne von uns von der EU profitiert: Über 2,8 Milliarden Euro – 2800.000.000 Euro – flossen seit dem EU-Beitritt im Jahre 1995 in unser Bundesland! Dieses Geld dient der Stärkung des Wirtschaftsstandortes, des Lebensraumes, der Ausbildung und auch dem gesamten Forschungsbereich, bei dem es Kärnten gelungen ist, an die Europaspitze vorzudringen.
Darüber hinaus gibt es den sperrigen Begriff Kohäsionspolitik. Dieses Wort steht in der Politik für den Zusammenhalt zwischen einzelnen Staaten und Regionen. Hier gibt es drei Fördertöpfe: den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE), den Kohäsionsfonds (KF) und den Europäischen Sozialfonds (ESF).
In der letzten Förderperiode (2014 – 2020) hat Kärnten aus diesen drei EU-Töpfen bisher bereits 803 Millionen Euro erhalten! Gleichzeitig leistet Kärnten einen Beitrag nach Brüssel in Höhe von rund 26 bis 42 Millionen Euro pro Förderjahr. Es ist also rasch ersichtlich, dass Kärnten von der EU profitiert.
Sehr viel Geld, aber was bedeutet das konkret? Wo in Kärnten ist die EU überall drin? Die Antwort: Überall, direkt vor unseren Haustüren gibt es Einrichtungen, Bauten, die mit Gelder aus der EU mitfinanziert wurden.
Wusstet ihr beispielsweise, dass die EU von der Dorfplatzgestaltung über Besucherzentren bis hin zu wichtiger verkehrstechnischer Infrastruktur auch u.a. folgende Einrichtungen in Kärnten fördert …
… die Elektrotankstellen, das Haus der Region – wo es Kärntner Regionalprodukte gibt; den Proberaum des Jugendchors in Köstenberg bei Velden; alleine 60 Millionen Euro fließen in das Jahrhundertprojekt Koralmtunnel – der es uns ermöglichen wird, in nur 45 Minuten mit der Bahn von Klagenfurt nach Graz zu fahren; 25 Millionen EU-Förderungen fließen in den Bau der dringend notwendigen zweiten Röhre des Karawankentunnels; die Walderlebnis-Arena in Klopein, das Rad-Kompetenzzentrum im Lavanttal. Die EU fördert auch die Kärntner Volkshochschulen. Zahlreiche EU-Projekte bereichern den Kultur- und Tourismusstandort Kärnten. So zum Beispiel der Geopark Karawanken-Karavanke und das „NatureGame-Projekt“- 14 Gemeinden (9 in Kärnten, 5 in Slowenien) gewährleisten damit die nachhaltige Nutzung und die Wahrung der Naturressourcen und des kulturellen Erbes. Hier findet ihr noch viele andere tolle von der EU geförderte Projekte in Kärnten: eu.kaerntengewinnt.at/gutegruende
Das ist wirklich nur ein ganz kleiner Auszug aus der ganzen Förderliste von Projekten in Kärnten, die erst durch die finanzielle Unterstützung der EU möglich gemacht wurden. Darunter auch viele arbeitsplatzsichernde Investitionen, die den Menschen in den Regionen eine sichere Zukunftsperspektive geben.
Das alles bedeutet nicht, dass die EU perfekt ist, aber sie ist für unser Kärnten für uns alle schlichtweg alternativlos! Natürlich gibt es viel zu verbessern, sowie beinahe überall. Und deswegen wollen und werden wir weiter daran mitarbeiten, die EU besser zu machen! Vor allem muss sie sozialer und gerechter werden.
Dafür nehme ich als Mitglied des Ausschusses der Regionen regelmäßig an Sitzungen in Brüssel teil – tausche mich mit KollegInnen aus, diskutiere im Plenum und versuche so auch das Beste für Kärnten zu erreichen, auch um einerseits noch mehr Geld für unser Bundesland zu lukrieren und andererseits natürlich auch, um auf Kärnten, auf die Vorzüge unseres Bundeslandes aufmerksam zu machen, zu verdeutliche, dass und was Kärnten alles kann, dass wir ein Land sind, indem man nicht nur seinen Traumurlaub verbringen kann, sondern auch ein Land wo man hervorragende Arbeits- und Lebensbedingungen für sich und seine Familie vorfindet.
Und außerdem: Wenn ich ins benachbarte Slowenien oder Italien fahre oder beruflich in Brüssel bin, dann bin ich froh, nicht mehr meine Schilling in Tolar, Lire oder belgische Franken umtauschen zu müssen. Nicht nur durch die schwankenden Kurse, auch durch Wechselgebühren ging dabei viel Geld verloren, Geld, dass ich lieber im Urlaubsland für einen Cafe ausgebe. Der Schengenraum befreit die EU-Bürger vor Kontrollen an den Landesgrenzen und damit vor mitunter stundenlangen Wartezeiten in der Urlaubszeit. Auch wenn aufgrund der Fluchtbewegung diese vereinzelt wiedereingeführt, die Freiheit in der EU grenzenlos reisen zu können, in anderen europäischen Ländern studieren und auch arbeiten zu können, diese Vorteile wissen nicht nur immer mehr junge Menschen zu schätzen.
Was also hat die EU dir persönlich schon gebracht? Diese Frage lässt sich vielleicht für den einen oder anderen wie folgt beantworten:
Nicht zuletzt Dank der EU, ihrer Förderungen für mein Unternehmen und den damit ermöglichten größeren Umsätzen, habe ich einen guten Arbeitsplatz. Damit bin ich und meine Familie finanziell abgesichert. Die EU ermöglicht mir, ohne Grenzkontrollen und damit ohne Wartezeiten durch viele Länder Europas zu reisen, in denen ich überall in Euro zahlen kann.
Durch die Mitfinanzierung der EU sind viele Freizeiteinrichtungen entstanden, in denen ich mit meiner Familie den Großteil meiner Wochenenden verbringe. Sie ermöglicht mir in der größten Friedensgemeinschaft zu leben und so meine Kinder in Sicherheit aufwachsen zu sehen. Das war nicht immer so. Auch wenn sich vor allem die Jüngeren nicht mehr daran erinnern: Es ist noch gar nicht so lange her, da war auch auf dem europäischen Kontinent, direkt vor unserer Haustüre Krieg. Wenige Stunden nach der slowenischen Unabhängigkeitserklärung am 25. Juni 1991 spielten sich an der Grenze zur Steiermark und zu Kärnten dramatische Szenen ab. Heftige Gefechte zwischen jugoslawischen und slowenischen Truppen mit zwei Toten am Grenzübergang Bleiburg versetzten die Kärntnerinnen und Kärntner in Schrecken. Es war und ist die EU, die dafür gesorgt hat, dass wir uns heute darüber keine Sorgen mehr machen müssen, dass wir in Frieden und Sicherheit leben und unsere Kinder ge- und beschützt aufwachsen können.
Ja, die EU hat sicher Verbesserungsbedarf. Aber Fakt ist: Ohne EU würde es Kärnten würde es jeder und jedem Einzelnen von uns um Vieles schlechter gehen. Daher liegt die Zukunft Kärntens und von uns allen auch in der Europäischen Union. Einer EU, die noch mehr zu einem globalen Faktor werden muss!

Alles tun, damit Kärnten auch in 100 Jahren attraktiver Lebensmittelpunkt und Unternehmensstandort im Herzen Europas ist!

„Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen!“

Dieses Zitat das ua Winston Churchill und Mark Twain zugeschrieben wird, kommt mir in den Sinn, wenn ich, wie gerade aktuell wieder, (Medien)Berichte über die Bevölkerungsentwicklung in Kärnten lese.
Um Eines, vorab gleich unmissverständlich klarzustellen: Ich schätze Statistiken und statistisch Daten sehr. Sie bieten insbesondere der Politik eine wichtige Entscheidungsgrundlage. Dazu gehören selbstverständlich auch kritische und negative Daten. Wenn dann aber Prophezeihungen über Bevölkerungsentwicklungen, die bis ins Jahr 2100 (!) reichen, von manchen als Grundlage dafür genommen werden, um eine Art negative und zutiefst deprimierende Endzeitstimmung zu erzeugen, dann plädiere ich für Dreierlei:
Erstens, die Kirche sprichwörtlich im Dorf zu lassen: Gerade heute, in Zeiten der Digitalisierung aber auch des Klimawandels stehen 80-100jährige Prognosen auf tönernen Beinen.
Zweitens, ein nicht gänzlich negatives sondern zumindest ein ausgewogenes Stimmungsbild zu erzeugen. Nur darüber zu lamentieren, wie düster die Zukunft aussieht, dass quasi „Hopfen und Malz“ eh verloren sind, hilft nicht nur niemandem, es entspricht einfach nicht den Tatsachen!
Und Drittens: Bis zu einem gewissen Grad habe ich ja Verständnis dafür, dass manche Verantwortungsträger und Meinungsbildner glauben, es reicht für Kärnten, wenn sie einfach mit dem Finger auf die Landesregierung zeigen und sagen: Macht was! Das ist einfach, das ist bequem – allerdings ist das alleine doch etwas dürftig. Ich appelliere, nein ich fordere hier schon auch von diesen Verantwortungsträgern und Meinungsbildern ein, selbst auch Verantwortung zu übernehmen. Anstatt nur zu fordern, was das Land alles tun muss, wäre es gerade auch von jenen, die sich selbst – manche zurecht – als wichtig erachten, angebracht, klar zu sagen, was sie in ihrem Bereich alles tun werden, um beispielsweise die Bevölkerungsprognosen nicht zu einer selbsterfüllenden Prophezeihung werden zu lassen. Sagt nicht nur, was das Land zu tun hat, sagt was ihr für das Land tun werdet!
Ja, die Bevölkerungsentwicklung ist eine der Herausforderungen für Kärnten! Ich bin mir dessen nicht nur bewusst, ich nehme für mich auch in Anspruch, meine politischen Entscheidungen immer auch darauf abzustimmen, Kärnten als Lebens- und Unternehmensstandort noch attraktiver zu machen.
Die Gründe für den prognostizierten Bevölkerungsrückgang sind vielfältig und liegen ua in der geografischen Lage und auch in der jahrelangen Abschottungspolitik Kärntens. Zu glauben, es gibt EINE Maßnahme, EINEN Knopf, den wir drücken müssten und zack, morgen ist alles anders, mag eine schöne romantische Fantasie sein, aber eben nicht mehr.
Wir haben seit 2013 in der Kärntner Landesregierung bereits Maßnahmen eingeleitet, um dieser Entwicklung gegenzusteuern. Es wurden und werden zahlreiche Maßnahmen dafür gesetzt, Kärntnerinnen und Kärntnern, vor allem der Jugend, Perspektiven zu eröffnen, um sich in Kärnten zu verwirklichen und hier sozusagen ihre Träume zu leben, und Fachkräfte aus anderen Bundesländern und ja, natürlich auch aus dem Ausland für Kärnten als Lebensmittelpunkt zu begeistern. Neben Maßnahmen Richtung kinder- und familienfreundlichste Region (Kinderstipendium, Schulstandortekonzept mit der Sicherstellung von zumindest einem Schulstandort in jeder Gemeinde), neuen Kooperationen im Bereich der Bildung und Ausbildung (neues Sportstudium an der Alpen Adria Universität, Realisierung einer zweiten Universität – der Gustav Mahler Privatuniversität für Musik, Kooperationen zwischen Schulen, Industrie und Wirtschaft bzw Schwerpunkte wie die Industrie-HAK Althofen, Chemie-HTL Klagenfurt-Mössingerstraße sowie die Kooperation der HTL Klagenfurt-Lastenstraße mit der HAK Spittal …), Investitionen in eine hochqualitative Gesundheits- und Pflegeversorgung, den nachgewiesenermaßen günstigsten Mieten in ganz Österreich und unseren Bemühungen, die Wohnkosten noch weiter zu senken, Maßnahmen zur Unterstützung von Wirtschaft und Industrie (Einrichtung einer Wirtschaftsombudsstelle, Ansiedelung Fraunhofer, Joanneum Research, Beteiligung Silicon Austria…), einem neuen Raumordnungsgesetz, Ausbau von schnellem Internet, Schutz unserer Umwelt (Glyphosatverbot, Wassercharta…) uam ist an dieser Stelle auch das gemeinsam als Koalition für Kärnten voranzutreibende Standortmarketing zu nennen. Und als „Koalition für Kärnten“ verstehe ich nicht nur die beiden Regierungspartner SPÖ und ÖVP. Nein, ich meine damit eine „Kärnten-Koalition“ zu der auch Unternehmer, Industrie, Wirtschaft, Landwirtschaft, ja, jede einzelne Kärntnerin, jeder einzelne Kärntner gehört – Kärnten, das sind wir alle!
Dass und was alles in und für Kärnten möglich ist, haben wir in der jüngeren Vergangenheit gesehen: Es kommt nicht von ungefähr, dass der Weltkonzern Infineon seine Rekordinvestition von 1,6 Milliarden in den Werksausbau Villach und nicht irgendwo in Asien, wo billige Arbeitskräfte und niedrige Unternehmensbesteuerungen warten würden, investiert. Eigene FH-Lehrgänge werden in Anlehnung der Herausforderungen dieses Forschungs- und Entwicklungsstandortes angeboten. Es ist uns gelungen, die Umkehr in eine positive Zukunft zu schaffen. Seit April 2016 verzeichnet Kärnten positive Arbeitsmarktdaten mit sinkenden Arbeitslosenzahlen bei gleichzeitiger Rekordbeschäftigung. Sämtliche Wirtschaftsdaten zeigen steil nach oben. Und auch wenn sich die Wirtschaftslage insgesamt, europa- und weltweit eintrübt, besteht kein Grund, den Kopf hängen zu lassen.

Ja, Kärnten hat nach wie vor mit den Folgen der zwei Jahrzehnte langen Brot-und-Spiele-Politik und der demografischen Entwicklung zu kämpfen. Aber wir haben diesen Kampf nicht nur angenommen, sondern auch Erfolge zu verzeichnen.

Wir sind ganz vorne bei Innovation, Forschung und Entwicklung, der Work-Life-Balance, haben die meisten Maturanten in Österreich und den höchsten Anteil an Akademikerinnen.
Junge Kärntner wie der Mölltaler Schuhdesigner Bernd T. haben ebenso Weltkarrieren hingelegt wie viele Kärntner Sportlerinnen und Sportler. Kärntner Firmen und Start Ups sind Weltmarktführer. Kunstprojekte wie For Forest sorgen ebenso weltweit für positive Schlagzeilen wie Kunst- du Kulturschaffende wie zuletzt Literaturnobelpreisträger Peter Handke. Diese Liste lässt sich nahezu endlos fortsetzen – jede und jeder kennt solche Beispiele für Kärntner Erfolge, die weltweit Schlagzeilen schreiben. Was das mit der Bevölkerungsentwicklung zu tun hat? Es zeigt, dass und was in Kärnten alles möglich ist! Dass Kärnten ein Land zum Leben, ein Land zum Ver-Lieben und ein Land ist, in dem jede und jeder seine Träume verwirklichen kann! Genau das gilt es zu transportieren! Mit Stolz und mit Selbstbewusstsein. Wir brauchen unser Licht in keinster Weise unter den Scheffel zu stellen. Leider passiert genau das, wenn ständig versucht wird zu transportieren, was alles schlecht sein könnte. Wie soll ein Standortmarketing erfolgreich sein, wenn von verschiedenen Seiten nur darüber gejammert wird, welche Probleme es gibt, was alles noch nicht erledigt ist? Kärnten hat Gründe genug – ich habe hier nur einige angeführt – die Brust rauszustrecken und selbstbewusst aufzutreten. Nicht überheblich, nein, selbstbewusst aber demütig. Kärnten hat sich weiterentwickelt.
Schon jetzt ist die Lebensqualität in Kärnten ein Trumpfass, das in Zukunft noch mehr zur Geltung kommen wird. Beispielsweise in Verbindung mit der Koralmbahn, die 2025/26 ihren Betrieb aufnehmen wird, wird man in 2 ½ Stunden von Wien und in nur 45 Minuten von Graz in Klagenfurt, direkt am Wörthersee sein können – Arbeiten, wo andere Urlaub machen: Das wird gerade angesichts der vielen Möglichkeiten, die die Digitalisierung mit sich bringt aber auch angesichts der Klimakatastrophen, die viele Menschen weltweit dazu zwingen wird, sich eine neue Heimat zu suchen, für Kärnten sprechen.
Ja, ich sage es in aller Deutlichkeit: Menschen aus anderen Ländern werden nach Kärnten kommen, und das ist gut so! Kärnten braucht qualifizierte Zuwanderung, um Wohlstand auch für unsere Kinder zu gewährleisten! Wir brauchen Menschen aus anderen Ländern, die ihren Lebensmittelpunkt nach Kärnten verlegen. Wir brauchen sie, damit auch in Zukunft Unternehmen in Kärnten investieren, sich hier ansiedeln, Arbeitsplätze und Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen und mit den Beiträgen ihrer Arbeitskräfte Straßen und Schulen gebaut, Krankenhäuser und Pflegeangebote und viele andere Dinge finanziert werden können.
Wenn ich höre, wie politische Mitbewerber agitieren „Wir brauchen keine Zuwanderung! Kärnten und Österreich brauchen Null-Zuwanderung!“ dann kann ich nur sagen: Soviel politische Unverantwortlichkeit und Dummheit ist ein Angriff auf das eigene Land! Das dient ausschließlich deren eigener politischer Profitmaximierung.
Was wir brauchen ist vielmehr eine entsprechende Willkommenskultur!

Wir müssen Werbung für unser Land machen und dürfen potentielle Arbeitskräfte, die wir brauchen, nicht durch dumpfen Hass auf alles Fremde und durch Schüren von Vorurteilen und kleingeistigen Generalverdächtigungen abschrecken.

Und natürlich brauchen wir für Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen entsprechende Integrationsmaßnahmen, die ihnen deutlich machen, welche Rechte und welche Pflichten sie in und für unsere solidarische Gemeinschaft zu übernehmen haben. Wer das nicht akzeptiert, für den wird auch kein Platz bei uns sein.
Abschließend halte ich nochmals fest:
Ja, wir haben in Kärnten noch sehr viel zu tun, vieles gemeinsam zu bewältigen. Ich verschließe die Augen auch nicht vor der Arbeit und den Herausforderungen, die wir gemeinsam zu meistern haben. Ich bin überzeugt, gemeinsam packen wir alles! Kärnten ist jetzt schon in vielen Bereichen einfach großartig! Und genau diese „Großartigkeit“, die unser Bundesland und unsere Bevölkerung mitten im Herzen Europas zu bieten hat, gilt es international genauso sichtbar zu machen und ins Bewusstsein der Menschen zu rufen wie in Kärnten, wie in Österreich selbst!

Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen – Licht und Schatten

Nun haben wir also … nein, nicht den Salat, aber … eine neue Bundesregierung. Die dritte innerhalb von nur 2 Jahren.Man darf gespannt sein, wie sich die Arbeit der beiden Koalitionspartner ÖVP und Grüne tatsächlich gestaltet, und ob am Ende die von vielen Kommentatoren und Analysten zitierten „bitteren Pillen“, die Sebastian Kurz seinem Gegenüber Werner Kogler zu schlucken gab und gibt, am Ende nicht zu einer gefährlichen „Überdosis“ für die Grünen und für die Österreicherinnen und Österreicher werden.
Anders als andere PolitikerInnen halte ich persönlich jedenfalls Nichts davon, mit dem vor allem für Populisten a la FPÖ typischen Beißreflex ohne jede Konstruktivität auf ein vorgelegtes Regierungsprogramm zu reagieren.

Wo Licht ist, ist auch Schatten

Natürlich sehe ich viele Dinge des Regierungsprogramms kritisch – wo Licht ist, ist auch Schatten. So verhält es sich auch beim Programm von ÖVP und Grünen. Positive Ansätze wie der Ausbau von „Kinderbetreuungsplätzen“, wieder angekündigten Klimaschutzmaßnahmen, neuen PflegeangebotenErhöhung des Familienbonus und ein paar andere Dingen auch im Bereich der Bildung haben entweder auch eine Kehrseite der „Medaille“ oder werden von fehlender Finanzierungsdarstellung und aus meiner Sicht für das Gesamtwohl der österreichischen Bevölkerung falschen Maßnahmen konterkariert.

Bildung und –Betreuung

Dass zB immer „nur“ von Kinder“BETREUUNG“ und nicht wie bei uns in Kärnten von Kinder“BILDUNG UND –BETREUUNG“ und von „Elementarpädagogik“ gesprochen bzw. geschrieben wird, zeigt allein schon das dahinterstehende Weltbild – Worte und Sprache sind Spiegelbild der politischen Einstellung – längst sind Kindergärten, Horte usw mehr als nur Aufbewahrungsplätze für unsere Kinder!

Klimaschutzmaßnahmen

Oder: Dass dringend notwendige Klimaschutzmaßnahmen auf die lange Bank, sprich ins Jahr 2022 verschoben werden, ist für mich kein Zeugnis besonderer Ernsthaftigkeit. Der völlige Verzicht auf das Verursacherprinzip gegenüber Konzernen, die naturgemäß weit mehr zur Klimabelastung beitragen als Einzelpersonen ist mir völlig unverständlich.

Die Pflege

Licht und Schatten sehe ich auch bei einigen angekündigte Maßnahmen im Bereich der Pflege. Die von ÖVP-Grüne so bezeichneten „Community nurses“ dürften wohl von den in Kärnten bereits um- und eingesetzten PflegekoordinatorInnen, unseren „Kümmerern“ (kümmern sich um die individuell besten Pflegemaßnahmen in Gemeinden) abgekupfert worden sein. Anstatt aber die beste Pflege unserer Mütter, Väter, Großeltern seitens des Staates zu garantieren, soll eine neue Belastung in Form einer Pflegeversicherung kommen.
Auch die angekündigte Pflegelehre wird von allen Experten mehr als kritisch betrachtet – 14jährige werden so vor eine unnotwendige und für viele nicht schaffbare psychische und physische Herausforderung gestellt. Positiv hingegen sehe ich die Ankündigung zusätzliche Ganztagesschulangebote zu schaffen.

Pädagogik

Dass Klimaschutz ein eigenes Unterrichtsfach werden soll – naja, die Bewusstseinsbildung für dieses so wichtige Thema könnte wohl auch in bestehende Fächer und fachübergreifend integriert werden.
Dass digitale Endgeräte (Laptops) irgendwann allen Schülerinnen und Schülern zur Verfügung gestellt werden sollen – schön und gut: Allerdings fehlen mir konkrete Maßnahmen, wie in den Lehrplänen für die digitale Zukunft unserer Kinder notwendige neue Inhalte wie „Coding“ umgesetzt und vor allem wie die Ausbildung der Pädagoginnen und Pädagogen diesbezüglich erneuert bzw ergänzt werden soll.

Ungleichbehandlung

Wie vor allem die ÖVP ideologisch tickt, wird einmal mehr am Beispiel des Familienbonus sichtbar: Ja, viele werden sich bei der Ankündigung, dass selbiger angehoben wird freuen. Aber, dass Gut und Sehr gut-Verdienende Eltern künftig 1750 Euro für ein Kind, das Kind einer schwer arbeitenden geringverdienenden Alleinerzieherin aber nur 350 Euro erhalten soll, ist eine für mich inakzeptable, unsoziale Maßnahme – eine Geringschätzung. Als ob das Kind der Alleinerzieherin 5 Mal weniger Sachen zum Anziehen, 5 Mal weniger zu Essen braucht? Aber das entspricht der ÖVP-Denke: Nur Leistung in Form von entlohnter Arbeit zählt, jede und jeder ist seines eigenen Glückes Schmied.
Dass dies in keinster Weise der Lebensrealität unzähliger Österreicherinnen und Österreicher entspricht, ist eine Tatsache. Umso enttäuschender, dass Werner Kogler und die Grünen diese Ungleichbehandlung trotzdem mittragen.
Auch das Herausschälen des Arbeitsmarktservice (AMS) als wichtigste Unterstützungsservicestelle, um Menschen in bezahlte Beschäftigung zu bringen, stellt für mich eine Entkoppelung dar, deren Sinnhaftigkeit sich nicht erklären lässt – außer mit parteipolitischen Motiven!

An ihren Taten messen

Dieses Wechselspiel von Licht und Schatten zieht sich durch alle Bereiche des von ÖVP und Grünen präsentierten Regierungsprogramms.
Allein, diese ÖVP-Grüne-Bundesregierung wird an ihren Taten zu messen sein. Daran, wie sie mit jenen umgeht, die auf Solidarität und Unterstützung angewiesen sind – die Stärke einer Regierung zeigt sich im Umgang mit Schwächeren -, daran, wie sich nicht nur das Leben der jetzt in Österreich lebenden Menschen verbessert, sondern auch daran, welche Weichen für die Zukunft unserer Kinder und nachfolgender Generationen gestellt werden. Daran, ob der Sozialstaat finanzierbar bleibt, oder, ob er, wie tendenziell unter ÖVP-FPÖ, zurückgefahren wird!

Und die SPÖ?

Was die SPÖ betrifft, so ist ihre Rolle aus meiner Sicht glasklar: Sie muss die Bundesregierung bei guten Maßnahmen und Vorschlägen, wie sie – wie ich oben versucht habe zu zeigen – durchaus auch im Regierungsprogramm zu finden sind, unterstützen, dort wo vor allem sozialer und demokratischer Verbesserungsbedarf da ist, die Regierung mit konstruktiven Vorschlägen konfrontieren, und dort, wo ÖVP und Grüne die für die Österreicherinnen und Österreicher falsche Richtung einschlagen harte, kantige und verständliche Oppositionsarbeit leisten. Außerdem muss die SPÖ selbst entsprechende Lösungen und Antworten auf Zukunftsfragen erarbeiten, wie wir beispielsweise gerade mit Birgit Gerstorfer gemeinsam für „die Zukunft der Arbeit“ dabei sind, den Begriff Arbeit vom Begriff Lohnarbeit zu entkoppeln, neu zu definieren und Lösungen für die sich durch die Digitalisierung verändernde Arbeitswelt zu erarbeiten.

Auf Augenhöhe

Meine Hand für eine konstruktive Zusammenarbeit mit der neuen Bundesregierung ist ausgestreckt. Eines fordere ich jedoch unmissverständlich ein: Kooperationen, Konfliktaustragungen und Diskussionen zwischen Parteien, Opposition und Regierung oder Bund und Ländern/Gemeinden muss möglichst respektvoll und jedenfalls auf Augenhöhe stattfinden!
Peter Kaiser, 8.1.2020

Umwelt- und Klimaschutz in Kärnten

Vorneweg: Ja, ich teile die Sorgen, die nicht nur Klima-Experten sondern viele von uns angesichts der dramatischen Bilder und Berichte in TV, Zeitungen und Radio beunruhigen. Ich teile die Sorgen, was die stattfindende Klimakatastrophe betrifft, nicht nur als Landeshauptmann oder als Politiker sondern auch ganz persönlich – als Vater.
Ich spreche auch ganz bewusst von einer beginnenden Klimakatastrophe, und dass diese Klimakatastrophe jetzt stattfindet: Allein in Kärnten belegen das drei Unwetterkatastrophen in nur zwei Jahren! Katastrophen, die nicht nur Schäden an Infrastrukturen, an Fauna und Flora verursacht haben. Bedauerlicherweise ist gerade erst vor wenigen Tagen, ein Mensch durch eine Mure bei uns in Kärnten getötet worden – mein aufrichtiges Beileid gilt der Familie des verstorbenen. Dazu gab es auch einige Verletzte. Dass nicht noch mehr passiert ist, ist Menschen wie Norbert, Susanne, Markus, Christian und Julia zu verdanken. Mit ihnen und mit vielen anderen habe ich bei meinen Lokalaugenscheinen in den betroffenen Gebieten gesprochen – Sie sind Teil der Einsatzkräfte, von Feuerwehr über Gemeinde- und Straßenbaumitarbeitern, bis zum Bundesheer, Bergrettung und der Polizei, die seit Tagen dabei mithelfen, andere Kärntnerinnen und Kärntner zu unterstützen und vor weiterem Schaden zu beschützen. Ihnen allen sage ich ein herzliches Danke.
Seitens des Landes tun wir alles, um Norbert, Susanne, Markus, Christian und Julia und alle Einsatzkräfte zu unterstützen, und Maßnahmen wie Schutzdämme, Wildbach- und Lawinenverbauungen umzusetzen – auch Katastrophenschutzreferent Daniel Fellner arbeitet wirklich mit allem Nachdruck daran.
Jedenfalls zeigen uns diese Tage mit den dramatischen Auswüchsen einmal mehr in aller Deutlichkeit, dass die Klimakatastrophe auch vor uns in Kärnten nicht Halt macht.
Sind weltweite Auswüchse wie verheerende Waldbrände, Tsunamis, Wirbelstürme usw. für viele Menschen, auch in Österreich und offenbar leider auch für einige Politikerinnen und Politiker, zu weit weg, um den Ernst der Lage, in der wir alle uns befinden, zu begreifen, so müsste aufgrund der regionalen Katastrophenauswüchse doch auch hierzulande und zuallererst bei ALLEN politischen Verantwortungsträgern und bei ALLEN Interessensvertretern, auch bei Wirtschaft und Industrie, der sprichwörtliche Groschen fallen. Fallen in Form nicht nur von der sich bei einigen Politikern noch immer nicht durchgesetzten Erkenntnis, dass der Klimawandel selbstverständlich von Menschen verursacht wird. Fallen auch nicht nur in Form von Lippenbekenntnissen, weil das Thema Klima gerade opportun erscheint oder „en vogue“ ist, sondern im ersten Schritt von klar zu kommunizierenden notwendigen Maßnahmen und im zweiten Schritt in Form der Umsetzung dieser Maßnahmen. Nicht morgen oder übermorgen, sofort! Wer es ernst damit meint, alles zu tun, um die Bevölkerung vor Schäden durch Unwetterkatastrophen zu schützen, kündigt nicht nur Maßnahmen an, sondern setzt sie um. Um keine Illusionen zu erzeugen: Nicht alles lässt sich auf einmal machen, vieles muss auch langfristig geplant werden. Dennoch, es gibt viele Möglichkeiten für jede und jeden Einzelnen, und auch für die Politik, sofort klimaschutzwirksam tätig zu werden.
Ich will mit den nachstehenden Beispielen dafür, was wir in Kärnten in punkto Klima- und Umweltschutz machen, in keinster Weise den Eindruck erwecken, wir wären mit den bisherigen Maßnahmen zufrieden – wer mich kennt weiß, dass ich mich nicht zurücklehne. Ich möchte nur ins Bewusstsein rufen, was in Kärnten schon alles getan wird, was alles möglich ist und, dass Kärnten ungeachtet der beeindruckenden Persönlichkeit Greta Thunberg, die ich selbst bei der Welt-Klimaschutzkonferenz in Wien kennenlernen konnte, Klima- und Umweltschutz seit einigen Jahren zur zentralen Aufgabe erhoben hat.
Natürlich werden wir in Kärnten nicht das Weltklima verändern. Aber jede Maßnahme zählt, jeder einzelne Kilometer, den wir nicht mit dem Diesel- oder Benzin-Auto fahren ist wichtig. Und genauso ist jede mit Unterstützung des Landes durch zb eine Wärmepumpe ersetzte Ölheizung ein wichtiger Beitrag.
Das bisher Erreichte sollte uns dazu motivieren, unsere Anstrengungen für effektiven Klimaschutz weiter zu steigern. Für mich persönlich ist das eine Herzensangelegenheit. Weil ich als Landeshauptmann meiner Verantwortung gegenüber der Kärntner Bevölkerung nachkomme und damit auch meine Verantwortung als Vater übernehme.

Ich möchte, dass unsere Kinder und deren Kinder auch noch in 100 Jahren überall in Kärnten saubere Luft atmen, aus unseren Seen trinken und überall den Wasserhahn aufdrehen und kristallklares Kärntner Wasser trinken können.

Darum geht’s doch in der Politik und im Leben allgemein – sich gemeinsam umeinander kümmern, und auf unsere Kinder und ihre Zukunft aufzupassen! Daran sollten wir gemeinsam arbeiten, unabhängig von Parteiinteressen, persönlichen Vorlieben – das WIR ist größer als das ich.

Beispiele für Kärntner Klima- und Umweltschutzmaßnahmen:

Auch wenn es für uns in Kärnten noch jede Menge zu tun gibt, so können wir doch auch diverse Maßnahmen zum Schutz von Klima und Umwelt vorweisen. Nicht umsonst ist bei uns Nachhaltigkeit in der Landesverfassung festgeschrieben. Konkret u.a. zur Wahrung der Verantwortung für künftige Generationen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen, ökologischen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung des Landes. Zur Umsetzung der Ziele dient die von der UN formulierten 17 Nachhaltigkeitsziele, bei denen auch Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels eine zentrale Rolle spielen.
Für Kärnten verweise ich beispielsweise auf unseren Mobilitäts- und Energiemasterplan, die in Kärnten sehr weit fortgeschrittene Energiegewinnung durch Wasserkraft, die schrittweise Umstellung des Landesfuhrparks auf E-Autos, das neue Wohnbauförderungsgesetz mit dem der Einbau von alternativen Heizsystemen vorgeschrieben ist, den Ausbau des öffentlichen Verkehrsangebotes, um mehr Kärntnerinnen und Kärntnern den Verzicht auf ihre PKWs zu erleichtern, die vollständige Elektrifizierung unseres ausgeweiteten S-Bahn-Netzes, umfassende Förderungen für die Errichtung von Solar- und Photovoltaikanlagen, die Schaffung von Natura2000-Gebieten, Projekte zur Förderung von Nachhaltigkeit im wirtschaftlichen wie privaten Bereich, beispielsweise durch entsprechende Wirtschaftsförderungen und die Verleihung eigener Nachhaltigkeitspreise auch zur Bewusstseinsbildung, neue raumordnungstechnischen Regelungen gegen überbordende Verbauung und Bodenversiegelung (ein neues zukunftsweisendes Raumordnungsgesetz befindet sich gerade in der finalen Ausarbeitungsphase), Maßnahmen zum Schutz unseres heimischen Trinkwassers, eine ökologische Wohnbauförderung, der Schutz von Fauna und Flora beispielsweise durch das Verbot des Pflanzengiftes Glyphosat.
Kärnten darf mit einem Anteil von 55 Prozent zurecht auf seine führende Rolle im Bereich der erneuerbaren Energie verweisen. Mit dem e5-Landesprogramm für energieeffiziente Gemeinden wollen wir die notwendige Energiewende weg von fossiler Energiegewinnung auch auf lokaler Ebene beschleunigen. Im Jahr 2018 haben sich in Kärnten bereits 46 Gemeinden mit nahezu 360.000 Einwohnerinnen und Einwohnern am e5-Programm beteiligt, in Summe wurden 160 „e“ an die Kärntner Gemeinden vergeben. Ein weiter steigender Trend ist absehbar. Darüber hinaus arbeiten wir seitens des Landes Kärnten mit Klima- und Energiemodellregionen (KEM) – aktuell nehmen daran 14 Regionen mit insgesamt 887 Gemeinden samt 304.000 EinwohnerInnen teil – und mit Klimawandelanpassungsmodellregionen (KLAR) – in Kärnten sind 5 Regionen mit insgesamt 35 Gemeinden und knapp 116.000 EinwohnerInnen dabei – auf die Herausforderungen des Klimawandels zu reagieren. Durch alle drei Programme zusammen – e5-Landesprogramm, KEM – Klima- und Energiemodellregionen, KLAR! – Klimawandelanpassungsmodellregionen – werden insgesamt ca. 75 Prozent der Kärntner Bevölkerung erreicht, betreut und gefördert, die sich aktiv in den Themen Energieeffizienz, Erneuerbare, Klimaschutz und Klimawandelanpassung engagieren!
Hinweisen möchte ich auch auf das Regionalprogramm ÖKOFIT, in dessen Rahmen allein 2018 128 Beratungen durchgeführt wurden. Ziel von ÖKOFIT ist es, der Kärntner Wirtschaft die Sinnhaftigkeit von Aktivitäten in den Bereichen Umwelt, Energie und Nachhaltigkeit durch geförderte Beratungen näher zu bringen, und sie zu entsprechenden Investitionen zu motivieren. Somit kann ein wesentlicher Beitrag zur Erreichung der regionalen und nationalen Zielsetzungen in Bezug auf die Klima- und Umweltziele geleistet werden.
Energieberatungen werden aber nicht nur Unternehmen und Gemeinden angeboten. Selbstverständlich haben wir in Kärnten auch Programme zur Beratung von Einzelpersonen und Familien: So wurden im Jahr 2018 insgesamt 1.997 kostenlose Beratungen durch das Energieberaternetzwerk durchgeführt. Zusätzlich wird seit 2009 für alle KärntnerInnen ein geförderter Vor-Ort-Energiecheck angeboten. Dieser enthält produktneutrale Informationen zur energetischen Sanierung des jeweiligen Gebäudes und der Haustechnik sowie Energiespartipps, die einfach und ohne größeren Aufwand umgesetzt werden können.
Wie gesagt: Beispiele, die uns alle dazu motivieren sollen, gemeinsam noch mehr für Klima- und Umweltschutz zu tun.
Bitte hilf uns dabei!
Peter Kaiser, 22.11.2019

Totgesagte leben länger!

In den letzten Tagen, Wochen und Monaten, ja in den letzten Jahren wurde sehr viel über die Lage der SPÖ geschrieben, diskutiert und spekuliert. Ja, die Sozialdemokratie durchlebt in ganz Europa und insbesondere in Österreich sehr schwere Zeiten. Aber allen, die bereits den Abgesang auf diese unsere Bewegung, die das Fundament dafür erkämpft hat, dass es den Menschen in Europa, in Österreich heute bei allen Problemen, die es zu lösen gilt, so gut geht, wie nie zuvor, ihnen allen halte ich in aller Entschlossenheit entgegen:
Totgesagte leben länger!

Die Sozialdemokratie wird aus ihren Fehlern, und die haben wir gemacht, lernen und stärker zurückkommen!

Was die Sozialdemokratie dafür braucht ist eine radikale Grundbesinnung! Nicht nur in Österreich, in ganz Europa – und die SPÖ kann und muss diese tiefgreifenden Prozess starten! Nicht im Eigeninteresse, im Interesse von Hermann und Katharina mit ihren Kindern Leon, Anna und Claudia, im Interesse von Pensionistin Maria, die vier Kinder großgezogen und über Jahre ihren Mann liebevoll gepflegt hat, im Interesse von Karl, dem Mechaniker, der sich mit Mitte 30 selbstständig gemacht hat und jeden Monat bis zum Umfallen „hackelt“, um Miete, Kinderbetreuung, das „Notwendigste für’s Leben“, für sich, seine Lebensgefährtin Evelyn und ihre Kinder Thomas und Stefan aufzubringen, im Interesse von Martin, einem homosexuellen Teenager, der als begeisterter Hobby-Vereins-Fußballer Antworten auf die Fragen nach seiner persönlichen Zukunft sucht, im Interesse von Samira und Amir, in Österreich geboren als Kinder zweier Einwanderer, die sich größte Mühe geben, hier bei uns in ihrer neuen Heimat Österreich, geschützt vor Krieg und Folter Teil unserer solidarischen Gemeinschaft zu sein, ihre Träume zu verwirklichen, auch wenn ihnen immer wieder auch politisch instrumentalisierter Hass und Vorurteile entgegenschlagen.

Die Sozialdemokratie braucht eine Revolution

Warum ich überzeugt davon bin, dass wir, ja die Sozialdemokratie und warum insbesondere die Österreichische Sozialdemokratie eine „Revolution“ braucht, und warum ich diese Zeilen in aller Offenheit schreibe?
Zum Einen, weil wir in der SPÖ-Kärnten engagiert diskutieren, wie wir die Sozialdemokratie zu neuer Stärke und Attraktivität bringen. Es ging und geht dabei nicht um eine personelle Diskussion! Nein, es geht um eine ideologische Diskussion, darum Wege aufzuzeigen, um die Sozialdemokratie für die Bevölkerung zu einem glaubwürdigen, attraktiven Anker des Vertrauens, in bewegten, ja geradezu stürmischen Zeiten des Umbruchs in der Arbeitswelt zu formen.
Ich schreibe diese Zeilen deswegen und daraus ableitend vor allem auch aus persönlicher Überzeugung.
Weil mir mein sozialdemokratisches Herz Tag für Tag blutet, wenn ich mir unsere, die Lage der SPÖ, aber auch der Sozialdemokratie europaweit ansehe. Ich kann einfach nicht glauben und akzeptieren, dass fremdbestimmte Bestandsanalysen, egal ob von Politikberatern, Meinungsforschern oder anderen „Eliten“ die Sozialdemokratie ab- und ins Aus schreiben. Oder noch schlimmer, wenn als konservativ oder neoliberal bekannte Analysten der Öffentlichkeit einreden, wie die SPÖ, wie die Sozialdemokratie auszusehen, welche Inhalte und Positionen sie zu vertreten hätte – und dem setzt die SPÖ wenig entgegen.

Die Kritik richtet sich ganz klar an uns selbst

In aller Deutlichkeit: Die Kritik richtet sich nicht gegen diese Analysten und Kommentatoren. Sie richtet sich ganz klar an uns selbst, sie richtet sich auch an mich selbst! Wie können wir es zulassen, dass man die SPÖ derart demütigt, und uns vorschreibt, was wir zu tun haben? Wie können wir das untätig, hilflos, viele offensichtlich in einem roten Elfenbeinturm sitzend, unfähig zu erkennen, dass der Turm ohne grundlegende Sanierungsarbeiten völlig einstürzen wird, dabei zusehen, wie vom politischen Widerpart versucht wird das stolze ideologische Erbe unserer sozialdemokratischen Gründerväter und –mütter zu Grabe zu tragen, während konservative und neoliberale Opportunisten und Populisten Österreich und Europa mehr und mehr zu einer entsolidarisierten Gesellschaft entwickeln. Eine Gesellschaft, in der das Gesetz des „politischen Dschungels“ – der Stärkere soll überleben – herrscht, in der Ängste – egal ob vor Fremden, oder vor dem eigenen Versagen und damit verbundenem sozialem Abstieg – derart geschürt werden, dass immer mehr Menschen tatsächlich glauben, die Lösung bestünde darin, in dieser Gesellschaft von Kindesbeinen an die Ellenbogen ohne Rücksicht auf andere einsetzen zu müssen.

Privatisierung – Steuersenkung – Sozialstaatsabbau

Über Jahrzehnte haben konservative und neoliberale Meinungsbildner und politische Mitbewerber eine Gesellschaft geformt, in der sich immer mehr Mitglieder immer bedingungsloser dem Kapitalismus, dem Diktat der Leistungs- und Konsumgesellschaft unterwerfen. Sie haben tatsächlich mit der notwendigen Konsequenz und auch Arglist, ein weltweites Netzwerk geschaffen, das die Sozialdemokratie langsam zu erdrücken droht. Siehe dazu hier und hier.
Das ewige Mantra dieser Kräfte lautet seit Jahrzehnten und bis heute unverändert: „Privatisierung – Steuersenkung – Sozialstaatsabbau“.
Dass die Sozialdemokratie dem nicht nur viel zu wenig entgegengesetzt hat, sondern die Etablierung dieses gesellschaftlichen Wertewandels der Entsolidarisierung da und dort noch sogar noch selbst mit vorangetrieben hat – Stichwort Hartz IV – das müssen wir in einer kritischen Eigenreflexion uns selbst ankreiden.

Empathie stärker als Egoismus

Politische Mitbewerber trichtern den Menschen ein: Denk nur an dich, andere zählen nicht! Leistung – in Form von Lohnarbeit – ist das einzige was zählt. Dass dabei der in Österreich so mühsam und unter vielen Opfern maßgeblich von der Sozialdemokratie mit erarbeitete soziale Friede, unsere friedliche solidarische Gemeinschaft mit der neoliberalen Abrissbirne zerstört wird, das dürfen wir nicht (länger) zulassen. Unsere Antwort darauf ist eine sozialdemokratische Antwort. Das Miteinander muss wieder stärker sein als das Gegeneinander, Empathie stärker als Egoismus. Zuversicht und der Glaube an uns, an dieses Land müssen stärker sein als geschürter Neid und Zwietracht. Liebe ist stärker als Hass, Solidarität die Zärtlichkeit der Menschen.

Einen sozialdemokratischen Aufbruch

Deswegen und dafür brauchen wir einen sozialdemokratischen Aufbruch! Damit er erfolgreich ist, und eine Befreiung der Menschen von den neoliberalen Fesseln bewirkt, müssen wir diese Revolution in den eigenen Reihen beginnen. Mit verstaubten Geschichten aus der Vergangenheit werden wir das ebenso wenig schaffen, wie mit dem unnützen Versuch, sich mit kurzfristigen populistischen Ansagen und Maßnahmen, die sich nach einer momentanen Stimmungslage orientieren, vorübergehend die Gunst von irgendwelchen Medien und/oder vermeintlichen Meinungsbildnern zu ergattern.
Unsere Meinungsbildner sind zuallererst nicht abgehobenen Persönlichkeiten, selbsternannte Experten, die aufgrund wissenschaftlicher Untersuchungen, Berechnungen, Statistiken am Reißbrett theoretische Lösungen entwerfen. Wir müssen, mich eingeschlossen, wieder die Fähigkeit entdecken, zuzuhören. Unsere Meinungsbildner müssen besagte Hermann und Katharina mit ihren Kindern Leon, Anna und Claudia, Pensionistin Maria, Karl, der Mechaniker und seine Lebensgefährtin Evelyn und ihre Kinder Thomas und Stefan, müssen Martin, Samira und Amir sein, die ich am Beginn exemplarisch erwähnt habe. Zukunftslabore und Arbeitsgruppen alleine werden nur unter der Berücksichtigung deren Anliegen Aussicht auf Erfolg haben.
Wir werden nicht alles schaffen
Die SPÖ soll in ihrer Botschaft verstanden werden. Diese lautet: Du bist mit deinen Problemen, Anliegen, Sorgen und Ängsten nicht allein! Wir hören dir zu und versuchen, gemeinsam mit dir für dich und auch für andere Lösungen zu erarbeiten. Wir werden nicht alles schaffen, aber wir werden uns bemühen, in jedem Fall werden wir uns um dich und deine Anliegen kümmern!

„Arbeit“ als wesentlichster Baustein

Ich bin überzeugt: Jede noch so tiefe Krise bietet eine Chance! Wir haben als SPÖ, als Sozialdemokratie jetzt die Chance, diese Revolution zu starten! Die Menschen in Österreich und Europa warten darauf. Nicht zuletzt aufgrund der rasant fortschreitenden Digitalisierung. Die sich immer weiter entwickelnde künstliche Intelligenz verändert die Arbeitswelt radikal. Wir können nicht so tun, als würde alles so bleiben wie es ist. Wir dürfen als SPÖ die stattfindenden Veränderungen nicht negieren. Das machen andere! Wir haben die Verantwortung für alle, die jetzt mitten im Berufsleben stehen, für unsere Kinder und Enkelkinder, die nicht mehr, wie die meisten von uns, ein Leben lang ein, zwei oder maximal drei Jobs ausüben werden. Die SPÖ war, sie ist und sie wird weiterhin DIE Partei sein, die „Arbeit“ als wesentlichsten Baustein in ihrer politischen DNA hat. Und genau darin liegt jetzt auch die Chance. Die SPÖ muss sich an die Spitze der von der Veränderung der Arbeitswelt Betroffenen stellen, mit ihnen Lösungsvorschläge erarbeiten, über Modelle und Varianten, die letztendlich die erkämpften Segnungen unseres Sozialstaates schützen und weiterhin garantieren, diskutieren, sinnieren, disputieren! Ohne sozialstaatliche Transferleistungs- und -Verteilungspolitik würden 43,3 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher statt 14,3 Prozent unter der Armutsgrenze leben müssen. Wir dürfen auch nicht zulassen, dass beispielsweise eine Diskussion über Grundeinkommen, eine Grundsicherung, von anderer Seite als unrealistisch bezeichnet und damit verhindert wird.
Ich bin felsenfest überzeugt, dass temporäre und existentielle Grundsicherung die Chance und Aufgabe von Sozialdemokratie und Gewerkschaft angesichts sich verändernder Arbeitsverhältnisse und Märkte sind. Wir müssen uns gesellschaftlich darauf einstellen, dass Menschen in ihrem Berufsleben aus den verschiedensten Gründen öfter Atempausen einlegen werden – etliche freiwillig, viele aber bestimmt auch unfreiwillig. Für sie wird ein Parteiergreifen gefordert sein. Wir müssen ein Menschenbild diskutieren, das hinter diesen Entwicklungen stehen soll. In unserer kapitalistischen Produktions- und Wirtschaftswelt gilt als Arbeit nur jener Faktor, der auch entlohnt wird. Tätigkeiten, die für ein gesellschaftliches, solidarisches und friedliches Zusammenleben unverzichtbar sind, aber oftmals im Bereich des Privaten liegen, wie: Erziehungstätigkeiten, Pflege von Familienangehörigen, ehrenamtliches Engagement – beispielsweise in Vereinen, Rettungsorganisationen oder bei Feuerwehren – all das sind Bereiche, die für ein kollektives Zusammenleben wertvoll und unverzichtbar sind, jedoch im kapitalistisch definierten Begriff von Arbeit bis dato keinen Platz haben.

Brauchen ein starkes, soziales Netz

Darüber hinaus wird es auch notwendig sein, ein entsprechendes Bewusstsein für „Arbeit“ zu entwickeln: Für die Sozialdemokratie steht immer neben dem persönlichen auch damit untrennbar verbunden das gesellschaftliche Gemeinwohl im Mittelpunkt. Nicht InvestmentbankerInnen, Immobilienmogule, Millionäre…, sondern BauarbeiterInnen, MechanikerInnen, BäckerInnen, VerkäuferInnen, MechatronikerInnen, Pflegekräfte, PädagogInnen, SozialarbeiterInnen und viele, viele mehr – sie sind es, die gemeinsam einen echten gesellschaftlichen Mehrwert für das Kollektiv beitragen. Eine englische Studie hat herausgearbeitet, dass vermeintlich „Starke und Erfolgreiche“ nicht mehr zum Wohlstand der Gesellschaft beitragen: Demnach zahlt die Gesellschaft etwa für jedes verdiente Pfund eines Spitzenbankers sieben Pfund drauf (Schaden aus Spekulation etc.). Hingegen fällt die gesellschaftliche Wertschöpfung bei vielen Jobs im Niedriglohnsektor positiv aus, am Beispiel des Müllmannes etwa durch Recycling; vgl. Schnenk/Schriebl-Rümmele, Genug gejammert. Warum wir gerade jetzt ein starkes, soziales Netz brauchen, 2017, 26-27

Work-Life-Balance

Wer wenn nicht die „soziale Demokratie“ kann dafür sorgen, dass diese Menschen, dass zum Beispiel auch Umzuschulende, von Maschinen ersetzte ArbeitnehmerInnen, Aufträge und Aufgaben verlierende Ein-Personen-Unternehmen und Klein- und Mittelunternehmen, nicht alleingelassen und nicht an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Die SPÖ muss konkret die mit diesem Thema zusammenhängende Lebensbereiche ansprechen. Angefangen von der Kinderbildung und -betreuung, der Schul- und Berufsausbildung, einer neuen Work-Life-Balance, über kürzere statt längere Lohnarbeitszeiten bzw eine gerechtere Verteilung der Arbeit, über gesellschaftlich anerkannte bis dato aber unbezahlte wichtige Arbeiten beispielsweise in Rettungs- und Blaulichtorganisationen, in Vereinen und in der Familie für Kindererziehung bis hin zur Pflege von Familienangehörigen. Einen ersten Denkanstoß habe ich mit einem Beitrag bereits geliefert.

Grundeinkommen

Mag sein, dass einige jetzt sagen, das Thema Grundeinkommen ist gerade nicht opportun. Ja, genau das will ich auch nicht: dass die Sozialdemokratie opportun ist im Sinne von, darauf fokussiert, was gerade „in“ ist! Wir sind keine Partei der Beliebigkeit und des Augenblicks! Und ich verwende den Begriff Partei bewusst, weil ich stolz darauf bin. Denn was bedeutet Partei? Eine politische Organisation mit einem bestimmten Programm, in der sich Menschen mit gleichen Überzeugungen zusammengeschlossen haben, um gemeinsam bestimmte Ziele zu verwirklichen! Wir sind Partei, weil wir Partei für Anliegen von Menschen ergreifen. Leider haben wir vielfach verabsäumt, uns dagegen zu wehren, dass andere im Dauerfeuer gegen die „Partei“ aufgetreten sind. Partei ist kein Schimpfwort! Partei zu sein heißt, Verantwortung zu übernehmen und zu tragen. Weil wir Partei für jene ergreifen, die es sich nicht selbst richten können! Weil wir Partei für Hermann und Katharina mit ihren Kindern Leon, Anna und Claudia, Pensionistin Maria, Karl, den Mechaniker und seine Lebensgefährtin Evelyn und ihre Kinder Thomas und Stefan, Martin, Samira und Amir ergreifen – weil wir uns um sie und ihre Anliegen kümmern! Dieses Gefühl der Empathie, des sich Kümmerns, DAS müssen wir den Menschen vermitteln, glaubhaft vermitteln. Und die Betroffenen werden es dann auch spüren.
Kommunikation und der Umgang mit Menschen sind dafür ein wichtiger Schlüssel. Was es jedenfalls braucht ist eine neue, eine bewusste inhaltliche Kommunikation.
Es gäbe noch sehr viel zu sagen, und noch viel mehr gibt es zu tun. In jedem Fall bin ich überzeugt, dass die Sozialdemokratie diese notwendigen Veränderungen, diese radikale Grundbesinnung, schaffen kann und wird.
Peter Kaiser, 26. November 2019

Meine Gedanken zur Zukunft der Arbeitswelt und damit verbunden zum Thema Grund-Sicherung

Unsere Gesellschaft befand und befindet sich seit jeher in einem Wandel. Was sich gegenüber der Vergangenheit verändert, sind die Zeitspannen, in denen dieser Wandel vollzogen wird: Begann die industrielle Revolution in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und zog sich im ersten Schritt bis ins 19. und dann weiter als 2. Industrielle Revolution ins 20. Jahrhundert, so sind die Entwicklungsschritte im Bereich der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz wesentlich rasanter. So dauerte es bis zur Entwicklung der Dampfturbine über 1800 Jahre, vom ersten Computer bis zu sich selbst weiterentwickelnden und lernenden Schachprogrammen dauerte es wenige Jahrzehnte.
Eines war und ist diesen Entwicklungen gemeinsam: sie haben Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Die Wahrscheinlichkeit, dass viele „Lohnarbeitsplätze“ im Zuge von Digitalisierung und Roboterisierung verloren gehen besteht. Damit gilt es sich auseinanderzusetzen, um niemanden auf dem Weg in die Zukunft zurückzulassen. (Details im Hinblick auf Auswirkungen_ Sozialbericht_Soziologe Flecker_Uni Wien, 380-396: https://broschuerenservice.sozialministerium.at/Home/Download?publicationId=372)

Über eine „Grund-Sicherung“ nachdenken

Daher ist jedenfalls über eine „Grund-Sicherung“ ganz generell weiter deswegen nachzudenken. Weiter deswegen, weil bereits jetzt Modelle existieren, die Menschen, die aus welchen Gründen auch immer nicht im Lohn-Erwerbsleben beschäftigt sindGrundsicherungsmodelle zur Verfügung stehen:

Bedarfsorientierte Mindestsicherung

Ein Beispiel dafür ist die nach der Sozialhilfe und dem Arbeitslosengeld eingeführte „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“. Sie sollte den Menschen in Österreich das „Mindeste“ zum Überleben „sichern“. Gerade deswegen war das Herummäkeln und Amputieren seitens der dann abgesetzten ÖVP-FPÖ-Bundesregierung so falsch und kritikwürdig – kein Kind kann von 1,5 Euro am Tag leben – genau diese Summe haben ÖVP-FPÖ ab dem 3. Kind von Menschen, die auf Mindestsicherung angewiesen sind, zugedacht.

Kinderbeihilfe, Pilotprojekt Kindergrundsicherung

Eine andere Form der „Grundsicherung“ ist bei Kindern gegeben, für die es gesetzliche Unterstützungsleistungen gibt, die bedingungslos gewährt werden – z.B. Kinderbeihilfe, Pilotprojekt Kindergrundsicherung der Volkshilfe.

Bei Kindern gesellschaftlich akzeptiert

Bei Kindern wird diese Form der bedingungslosen Unterstützungsleistung auch gesellschaftlich akzeptiert, weil es eben Kinder sind – obwohl sie ja auch „Leistungen“ erbringen (Lernen, Helfen…). Das heißt, die Diskussion um ein Grundeinkommen wäre weniger emotional, weniger verbrämt und mit mehr Sinnhaftigkeit verbunden, wenn man sich ein Grundeinkommen für Kinder vorstellen würde.

Ausgleichszulage

Auch im letzten Lebensabschnitt gibt es eine „Grund-Sicherung“ für jene, die unter das Existenzminimum fallen würden – die Ausgleichszulage.

Schlussfolgerung

Meine Schlussfolgerung daraus ist, dass es so etwas wie „Grund-Sicherungsmodelle“ für gewisse Lebensabschnitte bzw. temporär bereits gibt. Was nicht bedacht wird ist, dass der Wohlstand wächst und, dass Beiträge für und in das Sozialsystem durch „Lohn-Beschäftigte“ den Schwankungen am Arbeitsmarkt unterliegen – inklusive Pensionen und Sozialleistungen – und daher Modelle parallel zu Lohnarbeitssystemen weiter gedacht werden müssen.

Was waren die zentralen Versprechen an die Mittelschicht der Nachkriegsgesellschaft & gelten sie noch?

  1. Sozialer Aufstieg ist möglich. Für jeden. Und sowohl mehr Bildung als auch Fleiß ermöglichen dies nicht nur, sondern garantieren es beinahe.
  2. Sozialer Aufstieg ist endlich, aber im Prinzip eine Einbahnstraße. Die bekannteste Managementregel dieser Epoche war das Peter-Prinzip: In jeder Hierarchie wird jeder bis zur Stufe seiner persönlichen Unfähigkeit befördert. Und da bleibt er dann auch.
  3. Der moderne Kapitalismus erfindet nicht nur ständig tolle neue Dinge, sondern auch ständig tolle neue Jobs!
  4. Spielregeln mögen sich hier und da ändern, aber die Sportart/ die Disziplin wechseln, muss niemand. Wer einen bestimmten Beruf erlernt hat, der wird diesen Beruf sein Leben lang ausüben – häufig sogar in der gleichen Firma. Und die wird nach 40 Jahren übrigens auch immer noch so heißen wie damals.
Nur, alle vier gelten so nicht mehr.

„In den USA betreibt bereits ein Viertel aller Beschäftigten Jobhopping. Und Arbeitnehmer halten ihren Arbeitsplatz im Schnitt nur noch viereinhalb Jahre lang.“

Aus der Lebensarbeitszeit wird also in Zukunft so etwas wie eine lebenslange Lern- & (um-) Orientierungszeit werden. Es wird den Job, mit dem ein Mensch in sein Berufsleben gestartet ist, immer seltener auch noch geben, wenn dieser in der Mitte seiner Karriere angekommen ist. Es werden die Lernphasen außerhalb des Berufes häufiger und länger werden. Man wird also über neue Rechtsansprüche, wie ein Recht auf Um-, Fort- und Weiterbildung (finanziert von Staat und Wirtschaft – ein Modellansatz dafür kann so etwas wie das vorgeschlagene„Qualifizierungsgeld“ der Arbeiterkammer sein; Firmenakademien, …) an dessen Ende ein Recht auf Arbeit steht, nachdenken müssen.
Und wir müssen uns gesellschaftlich darauf einstellen, dass Menschen in ihren Berufsleben aus den verschiedensten Gründen öfter Atempausen einlegen werden – etliche freiwillig, viele aber bestimmt auch unfreiwillig.

Es wird ein Parteiergreifen gefordert sein

Wir müssen ein Menschenbild diskutieren, das hinter diesen Entwicklungen stehen soll. In unserer kapitalistischen Produktions- und Wirtschaftswelt gilt als Arbeit nur jener Faktor, der auch entlohnt wird. Tätigkeiten, die für ein gesellschaftliches, solidarisches und friedliches Zusammenleben unverzichtbar sind, aber oftmals im Bereich des Privaten liegen, wie: Erziehungstätigkeiten, Pflege von Familienangehörigen, ehrenamtliches Engagement – beispielsweise in Vereinen, Rettungsorganisationen oder bei Feuerwehren – all das sind Bereiche, die für ein kollektives Zusammenleben wertvoll und unverzichtbar sind, jedoch im kapitalistisch definierten Begriff von Arbeit bis dato keinen Platz haben.

Bewusstsein für „Arbeit“

Darüber hinaus wird es auch notwendig sein, ein entsprechendes Bewusstsein für „Arbeit“ zu entwickeln: Für die Sozialdemokratie steht immer neben dem persönlichen auch damit untrennbar verbunden das gesellschaftliche Gemeinwohl im Mittelpunkt. Nicht InvestmentbankerInnen, Immobilienmogule, Millionäre…, sondern BauarbeiterInnen, MechanikerInnen, BäckerInnen, VerkäuferInnen, MechatronikerInnen, Pflegekräfte, PädagogInnen, SozialarbeiterInnen und viele, viele mehr – sie sind es, die gemeinsam einen echten gesellschaftlichen Mehrwert für das Kollektiv beitragen. Eine englische Studie hat herausgearbeitet, dass vermeintlich „Starke und Erfolgreiche“ nicht mehr zum Wohlstand der Gesellschaft beitragen: Demnach zahlt die Gesellschaft etwa für jedes verdiente Pfund eines Spitzenbankers sieben Pfund drauf (Schaden aus Spekulation etc.). Hingegen fällt die gesellschaftliche Wertschöpfung bei vielen Jobs im Niedriglohnsektor positiv aus, am Beispiel des Müllmannes etwa durch Recycling; vgl. Schnenk/Schriebl-Rümmele, Genug gejammert. Warum wir gerade jetzt ein starkes, soziales Netz brauchen, 2017, 26-27

Permanente Auseinandersetzung zum Thema Grundeinkommen

Eine verantwortungsbewusste Politik, die auch an Morgen denkt, kann und darf die Augen vor diesen Entwicklungen nicht verschließen, kann und darf den Kopf nicht in den Sand stecken, kann und darf nicht einfach nur darauf hoffen, dass sich alles von selbst regeln wird. Deswegen ist eine permanente Auseinandersetzung zum Thema Grundeinkommen und eine damit verbundene Existenz- und Bewusstseinserweiterung des Arbeitsbegriffes ebenso erforderlich wie die oben angeschnittene Frage der Finanzierung unseres solidarischen Sozialsystems vor dem Hintergrund wegfallender Jobs infolge von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz. Immerhin bringt der Staat in Summe über 100 Milliarden Euro jährlich für Sozialleistungen auf – weit mehr als 2/3 davon für Geldleistungen. Wäre es nicht auch aus diesem Gesichtspunkt und eingedenk aller oben angeführten Überlegungen möglichweise klüger, Modelle für ein Grund-Einkommen zu diskutieren und zu berechnen?
Darüber ernsthaft, konstruktiv und ohne parteipolitische Scheuklappen nachzudenken, rege ich an – einige Modelle werden bereits erprobt, beispielsweise in Finnland.

Maschinen verdrängen Menschen nach und nach von ihren Arbeitsplätzen.

Aktuell (2018/19) werden in Österreich 72 Prozent des BIP von Menschen und 28 Prozent von Maschinen erwirtschaftet. Über diese 72 Prozent wird auch unser solidarischer Sozialstaat mit allen Transfer- und Unterstützungsleistungen für Kinder, Familien, Hilfsbedürftige steuerlich finanziert und organisiert. Wenn schon 2025 Maschinen und Roboter, die keine Steuerbeiträge leisten, 52 Prozent des BIP erwirtschaften ist klar, dass wir über alternative Wege zur Sicherung unseres Sozialstaates wie zum Beispiel über Robotersteuern, Grundsicherung bzw. ein Grundeinkommen EU-weit diskutieren müssen, um Lösungsansätze für betroffene Menschen zu finden.
Denken wir auch in Österreich darüber nach und diskutieren wir über Möglichkeiten.

Letztlich bin ich überzeugt, dass es ein Grundeinkommen, in welcher Form auch immer, geben muss!

Peter Kaiser am 7. November 2019