BLOG: Gemeinsam Krisen meistern und Zukunft schaffen.

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Rede anlässlich des Vorsitz Kärntens im Bundesrat, Wien, 13.07.2023

Liebe Österreicherinnen und Österreicher,
liebe Kärntnerinnen und Kärntner,
geschätzte Mitglieder des österreichischen Bundesrats, 
werte Vertreterinnen und Vertreterinnen von neun europäischen Regionen!
Aller guten Dinge sind drei. An diese Redewendung denke ich – nicht ganz uneigennützig, wenn ich nun schon zum dritten Mal als Landeshauptmann von Kärnten den turnusmäßigen Vorsitz unseres Landes im Bundesrat – der Länderkammer – einbegleiten darf. Gestatten Sie mir, dass ich diese Gelegenheit zu einer Mischung aus launigen Worten und großen Vorsätzen nutze. 
2014, nach einem Jahr im Amt und erstmals Vorsitzender der LH-Konferenz, konnte ich Ihnen hier die ersten großen Veränderungen bei uns im Süden präsentieren. 2019 hat Österreich dann in der Vorsitz-Phase von Kärnten eine unfreiwillige Süd-Erweiterung erlebt: Ibiza braucht uns seitdem nicht mehr spanisch vorkommen. Und 2023? 
Ich lege Ihnen Europa ans Herz. Aus purem Eigennutz und meiner vollsten Überzeugung. Denn es wird immer mehr ein Europa der Regionen und Kommunen. Und dies hier ist die Regionalkammer des österreichischen Parlaments. Die nationale Vertretung von immerhin neun der 270 europäischen Regionen, knapp mehr als 20% davon mit regionaler Gesetzgebung!
Warum hole ich so weit aus? Weil ich als Denkansatz einen noch größeren Sprung wagen will. Über den großen Teich. In die USA. Wer eine Führung durch den Kongress in Washington besucht, wird vorerst konfrontiert mit einem immer wiederkehrenden lateinischen Motto: e pluribus unum. Das heißt: „Aus vielen eines“ und ist vielschichtig gedacht. Es gilt sowohl für den Zusammenhalt der Einzelstaaten wie auch für die unterschiedlichen Herkünfte dieser Einwanderernation. E pluribus unum – aus vielen eines – soll auch uns immer wieder daran erinnern, dass das Gemeinsame stärker ist als das Trennende. 

„Eine Einheit in Vielheit – dass macht die Europäische Union aus. Das ist gleichzeitig auch die unverzichtbare Basis für ein geschlossenes Auftreten angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine!“

Aber wir waren schon mehr in unserem Staatenbund. Der Brexit hat uns zurückgeworfen. Doch die Vertiefung im Ausschuss der Regionen ist vorangeschritten. Und unsere neun Bundesländer tragen konstruktiv dazu bei. Vielleicht sogar mehr als mitunter der Staat Österreich – wenn Sie mir diese kritische Anmerkung zum Abschluss meines kleinen Exkurses gestatten.
E pluribus unum – aus vielen eines – erscheint mir ein guter Grundgedanke für das Motto, das Kärnten nun im Vorsitz dem Bundesrat mitgeben will. Es lautet:

„Gemeinsam Krisen meistern und Zukunft schaffen.“

Denn jedes Bundesland allein ist zu klein, um in einer globalisierten und digitalisierten, einer kompetitiven Welt bestehen zu können. Doch zusammen sind wir stärker als die Summe unserer Teile. Das gilt nicht nur für unser Gewicht als Bundesstaat, sondern ebenso für unsere Kraft als Länderbund. Nicht von ungefähr hat die Landeshauptleutekonferenz den Ruf einer österreichischen Schattenregierung. Umso betrüblicher ist es für mich, dass der Bundesrat nur selten aus dem Schatten des Nationalrats und der Bundesregierung tritt. So wie die Praxis der Gewaltenteilung dem Buchstaben oft nicht entspricht, so erscheint mir die öffentliche Wahrnehmung der beiden Kammern unzulänglich verteilt. 
Kärnten will mit seinem Vorsitz versuchen, dieser unberechtigten Unterbewertung entgegenzusteuern. Dass dies möglich ist, haben wir soeben auf europäischer Ebene gezeigt. Denn unsere Nachhaltigkeitskoalition, wie wir Sozialdemokraten und die Volkspartei die bereits dritte Periode unserer Partnerschaft nennen, trägt diesen Titel nicht nur als Modewort der politischen Kommunikation. 

„Nachhaltigkeit ist die Grundlage unserer Politik. Deshalb haben wir die SDGs, die Sustainable Development Goals, die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen sogar im Regierungsprogramm verankert. Denn was den 193 Staaten der UNO recht ist, soll uns in Kärnten billig sein. Wir dachten, das sei eine Selbstverständlichkeit. Doch wir werden dafür sogar von der höchsten EU-Ebene gelobt, weil Kärnten damit auch der Europäischen Union bei der Zielerreichung hilft. Kaum eine andere Region hat ein vergleichbares Regierungsprogramm in dem diese globalen Ziele im regionalen Regierungsprogramm abgebildet sind!“

Davon zeigte sich kürzlich auch die Präsidentin des EU-Parlaments, Roberta Metsola, anlässlich eines Arbeitsgesprächs mit ihr, der Präsidentin des Bundesrates, Claudia Arpa, und mir, beeindruckt.
Eine noch intensivere, abgestimmte Zusammenarbeit zwischen Europäischem Parlament und Ausschuss der Regionen akzeptiert und partizipatives Gebot der Stunde! Global denken – regional/lokal handeln! Zum Wohle der breiten Mehrheit der Menschen. 
Geschätzte Mitglieder des Bundesrats, werten Sie diese Position bitte nicht als politische Träumerei, sondern als praxistaugliche Anregung. So wie unser Kärntner Motto für den Vorsitz: „Gemeinsam Krisen meistern und Zukunft schaffen“ keine leere Worthülse bleiben soll und darf. 
Warum haben wir diese Parole für den Kärntner Vorsitz im Bundesrat und in der Landeshauptleutekonferenz gewählt? Die aktuellen Krisen sind augenscheinlich und für unsere Gesellschaft, für die Menschen und die Wirtschaft sehr herausfordernd und belastend. Sie sollen und dürfen aber nicht den Blick in eine positive Zukunft verbauen. 

„Mehr denn je sind wir als Politik gefordert, in breiter Gemeinsamkeit Chancen zu schaffen, zu motivieren, Mut, Innovation, Solidarität und Nachhaltigkeit zu belohnen.“

Ein Schwerpunkt in der Landeshauptleutekonferenz wird die Neuverhandlung des Finanzausgleiches sein. Über ihn werden bestimmte Abgabenerträge, die der Bund einhebt, zwischen Bund, Bundesländern sowie Städten und Gemeinden aufgeteilt. Im Fokus stehen insbesondere die Themenfelder Gesundheit, Pflege, Bildung und Kinderbetreuung. Hier haben die Länder und Gemeinden immer mehr Aufgaben und finanzielle Mehrleistungen zu bewältigen bzw. zu bewältigen gehabt. Uns geht es dabei ganz klar um die Sicherstellung wesentlicher Leistungen für die Bevölkerung. Zudem sind für die wertvollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen essentiellen Bereichen die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu schaffen.
Das von der LH-Konferenz, dem Städte- und Gemeindebund akkordierte Verhandlungspapier ist berechtigt und im Sinne des Föderalismus zukunftsweisend.
Krisen – die massive Teuerung, die Energiekrise und der Klimawandel – sind für die Politik weiterhin bestimmendes Thema. Wir dürfen sie aber nie als Rechtfertigung oder Ausrede verwenden. Es sind konkrete Maßnahmen umzusetzen, wo immer es uns in unseren jeweiligen Bereichen möglich ist. 
Mit dem Kärnten Bonus, der gezielt jene unterstützt, die von der Teuerung am meisten betroffen sind, waren wir zum Beispiel als Bundesland Vorreiter. In der Landeshauptleutekonferenz werden wir unter anderem auch darauf pochen, dass Wohnen ein Grundrecht ist. Wir zielen hier auf die Verordnung der Finanzmarktaufsicht zur Immobilienfinanzierung bei Kreditinstituten ab. Wohnbauförderungsmittel der Länder müssen aus unserer Sicht ganz klar als Eigenmittel der Kreditwerbenden angesehen und eingerechnet werden. So soll dann das Erlangen eines Kredites für die Wohnraumschaffung – betroffen sind hier hauptsächlich junge Familien – erleichtert werden.
Sie sehen, wir haben auch auf der exekutiven Ebene in Form der Landeshauptleutekonferenz ein volles Programm. Denn „Gemeinsam Krisen meistern und Zukunft schaffen“ soll keine hohle Phrase sein. Bei „gemeinsam“ und auch bei „Zukunft“ müssen und wollen wir vor allem auch die Bevölkerung mitdenken und mitnehmen. Und als Landeshauptleutekonferenz tun wir das auch. 
Dem Bundesrat hingegen will ich ungeachtet von Kärntens Vorsitz aus der Fülle der vor uns liegenden Aufgaben nur einen Schwerpunkt empfehlen. Denn aller guten Dinge sind zwar drei, wie ich einleitend ja bemerkte, doch weniger sollte in diesem Fall mehr sein. Die Konzentration auf ein Thema, ein halbes Jahr lang, knapp vor den nächsten Wahlen zu Europaparlament und Nationalrat könnte dem Bundesrat auch jene Aufmerksamkeit sichern, die ihm gebührt. Soweit wir es im Vorsitz beeinflussen können, wir dieser Schwerpunkt die Bekämpfung von Armut, insbesondere der Kinderarmut sein.

„Es ist schlimm genug, dass dies in einem der reichsten Staaten der Welt überhaupt noch oder wieder ein Thema ist. Österreich liegt in einer Rangliste des bereinigten BIPs pro Kopf auf Platz 17 – u.a. vor Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Spanien, den großen westeuropäischen Nationen. Eine solche Position verpflichtet. Sie verpflichtet zu Vorbildwirkung. Sie verpflichtet jedenfalls zu Maßnahmen gegen Kinderarmut.“

Geschätzte Abgeordnete,
lassen Sie uns dieses Vorbild schaffen. Lassen Sie uns zeigen, dass der Sozialstaat kein Auslaufmodell ist, dass das „Soziale“ keine Beifügung sondern der Kern jener sozialen Marktwirtschaft ist, für die Österreich schon in den 1970er Jahren unter Bruno Kreisky ein globaler Modellstaat wurde. Lassen Sie unsere Kinder, Enkel und Urenkel auch das erfahren, was unseren Generationen Aufstieg und Wohlstand beschert hat. Es war nicht zuletzt das sich Umeinander-Kümmern. 
Und es war der Staat, der sich um uns kümmert. Und zwar mehr um jene, die es dringend brauchen. Und weniger um jene, die egoistisch sagen, das brauchen wir nicht – weil sie ohnehin genug haben. Wenn heute wieder Armut ein großes Thema wird, ist das eine Schande für unsere Gesellschaft. Politik darf diese Schande nicht dulden. Sie muss eine solche Entwicklung verhindern. Sie muss das Füreinander über das Gegeneinander stellen. Und das sage ich bei allem Bewusstsein dafür, dass Politik immer auch ein Wettbewerb der unterschiedlichen Konzepte und verschiedenen Parteien ist. 
Werte Abgeordnete,
lassen Sie uns in diesem Ringen um die beste Lösung nicht das wahre Ziel aus den Augen verlieren: Es geht um Gemeinwohl, um Common Wealth. Ich weiß schon, dass dieser Begriff auch ideologisch missbraucht wird. Also interpretiere ich ihn ganz banal: Es soll möglichst vielen gut gehen. Das dies für alle gilt, werden wir nie erreichen. Aber wir sollten niemand zurücklassen. Vor allem nicht unsere Zukunft. Denn: unsere Zukunft sind unsere Kinder. Wer Armut bei der Wurzel packen will, muss Kinderarmut bekämpfen. Das sollten wir, das wollen wir, das werden wir tun.
Der österreichische Bundesrat hat gemeinsam mit der Landeshauptleutekonferenz die historische Chance, hier mehr als nur ein Zeichen zu setzen. Was Kärnten mit dem Festschreiben der nachhaltigen UNO-Entwicklungsziele versucht hat, kann jedem Bundesland, kann ganz Österreich auch bei der Bekämpfung von Armut und insbesondere von Kinderarmut gelingen: ein europäischer Vorreiter zu sein. Der Bundesrat ist ein guter Ort für ein solches Vorbild für das Europa der Regionen. Kärnten wir mit seinem Vorsitz versuchen, diesen Ort entsprechend zu nutzen. Ich werde alles in meinen Möglichkeiten Stehende tun, dass uns dieser Vorstoß gelingt.
Geschätzte Mitglieder des österreichischen Bundesrats, auf gute Zusammenarbeit zum Wohle der Republik Österreich und seinen Bundesländern in einem Europa der Regionen.
Sie können mich übrigens gerne beim Wort nehmen. Denn aller guten Dinge mögen drei sein, doch ich habe fest vor, ein viertes Mal hier zu stehen. Im ersten Halbjahr 2028, wenige Wochen vor unserer nächsten Landtagswahl, übernimmt Kärnten wieder den Vorsitz im Bundesrat. Bis dorthin wünsche ich gutes Gelingen. 

„E pluribus unum – Machen wir aus vielen eines und der Armut den Garaus!“

Peter Kaiser, 13.07.2023